Lese-Monat Oktober

Mein Lese-Monat Oktober

Ich habe mich nun monatelang in einem sehr klebrigen, tiefen Sumpf befunden und jetzt bin ich mal vorsichtig optimistisch: Das Lesen und die Sache mit der Konzentration klappt wieder besser. Ich habe wieder Lust mich mit Literatur zu beschäftigen, lesend, schreibend, diskutierend. Ich habe sogar wieder Lust Blogbeiträge zu schreiben. Wahnsinn, oder? Jedenfalls. Das ist mein Lese-Monat Oktober, der war sehr hörbuchlastig.

Gelesen

  • Stephen King- Holly (Hörbuch gelesen von David Nathan) ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
  • Erna Endres – Zur Freude des Tages ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
  • Charlotte Blum – Das Fräulein vom Amt ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
  • Walter Moers – Prinzessin Insomnia (gelesen von Andreas Fröhlich) – abgebrochen
  • Anika Decker – Wir von der anderen Seite (gelesen von Katja Riemann)

Mein Projekt Stephen King ist noch in vollem Gange. Irgendwann will ich sagen können, dass ich ALLES von ihm gelesen habe. Doch aktuell schreibt der gute Mann noch schneller, als ich lesen kann. 😉 Jedenfalls. Als ich gesehen habe, dass es was Neues gibt, und dass es um Holly geht, war ich sehr aufgeregt. Ich habe x-Mal nachgesehen, wann denn endlich das Hörbuch (gelesen von David Nathan) endlich erhältlich ist, weil King ohne Nathan, das geht ja gar nicht. Ich will die beiden nur noch in Kombination. Ich ess ja auch keine Pommes ohne Ketchup. Holly ist eine meiner Lieblingsfiguren. Sie teilt sich diese Position mit ein paar Figuren aus dem Dunkle-Turm-Universum. Allerdings, meine Freude über das neue Buch wurde jäh eingebremst. Stephen King hat da sehr viel Zeitgeist hinein gepackt. Meiner Meinung nach völlig unnötig. Die ganze Corona-Thematik tut nichts für die Handlung, treibt sie nicht an, beeinflußt sie nicht. Die Geschichte könnte auch 2018 spielen, ganz ohne Impfung, Maske und Ellenbogen-Bump-Begrüßung. Ich finde es zu früh, zu unnötig, überhaupt, ich will davon nichts lesen. Ich habe Herrn King irgendwann verziehen, weil die Geschichte so spannend war, dass mir die blödsinnigen Dialoge, wer mit welchem Mittelchen geimpft ist und wie viel Abstand hält, dann doch egal waren. Ich hab es über mich ergehen lassen, damit ich weiter komme.

Zu Holly, mit all ihren Spleens und Zwangsneurosen passt es ja, das muss ich zugeben. Herr King hat Holly aber insgesamt etwas zurückhaltender gestaltet, sie wirkt in diesem Buch viel normaler, aufgeräumter. Die Entwicklung, die Holly, nicht zuletzt wegen Bill Hodges durchgemacht hat, gefällt mir sehr gut, ich bin ihr gern gefolgt. Ich als Leserin werde mitten hinein geworfen: Hollys Mutter stirbt, gleichzeitig, oder um sich abzulenken, nimmt Holly einen neuen Auftrag an. Eine junge Frau ist verschwunden. Die Polizei ermittelt nicht wirklich, weil man Bonnie für eine Ausreisserin hält.

Wir begegnen wieder Jerome und auch seiner Schwester Barbara. Das Leben ist weiter gegangen, aber die beiden unterstützen Holly immer noch, gelegentlich. Jerome hat sein Buch geschrieben und ist mitten in den Verhandlungen um es bei einem Verlag unterzubringen. Barbara studiert und arbeitet an einem Geheimprojekt. Uns LeserInnen ergeht es wie den Zuschauern im Kasperle-Theater, wir wissen immer ein bisschen mehr als die handelnden Personen. Bonnie verschwindet, auch andere Personen sind wie vom Erdboden verschluckt. Wir sehen den Zusammenhang, doch Holly ermittelt und folgt den Brotkrumen in den dunklen Wald. Die Spannung steigt und stiegt, man will ihr dauernd zurufen: „GEH DA NICHT HIN, DA IST DER MÖRDER!“

Übersinnliches fehlt dieses Mal, das macht aber nichts, das Böse ist gruselig genug. Ich habe weite Strecken große Angst um… ach, keine Spoiler, ne. Ich hab Angst gehabt, Punkt.

Ich finde ja, „ES“ ist mit Abstand sein bestes, gruseligstes Werk und daran messe ich alle anderen Bücher von King. Holly ist nicht so gut wie ES. Aber doch ziemlich nah dran. ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

„Spiel auf Leben und Tod“ ist der dritte und meiner Meinung nach der beste Band aus der Das-Fräulein-vom-Amt-Reihe. Inzwischen fühle ich mich ganz heimisch in Baden-Baden, Emmchen und Alma sind mir ans Herz gewachsen, diese Frauenfreundschaft macht wirklich Spaß und ich habe schon sehnsüchtig drauf gewartet, dass Alma wieder über eine Leiche stolpert. Dieses Mal kommt eine Arbeitskollegin auf sie zu, ihre Cousine ist in einer Wäschetrommel zu Tode gekommen. Die Polizei, wie kann es anders sein, geht von einem Unfall aus, vielleicht auch Selbstmord. Alma Täuber fällt natürlich gleich auf, dass sich die Luke nur von aussen schließen lässt. Sie steckt also bald wieder in einem Fall, gerät noch selbst in Gefahr, weil sie einer Diebesbande in die Quere kommt, während ganz Baden-Baden in Aufregung ist wegen dem internationalen Schach-Tournier. Alma gerät aber zwischen weitere Fronten: Ihre Arbeitsstelle verändert sich, die politische Lage wirft dunkle Schatten voraus und dann ist da auch noch Ludwig. Schwere Entscheidungen stehen an. Ich habe das unheimlich gerne gelesen. Die Fälle von Alma sind alle relativ unblutig, man muss sich als LeserIn nicht mit ekelhaften, langatmigen Beschreibungen einer blutrünstigen Tat rum schlagen. Alma ermittelt, das ist spannend. Emmi sorgt für die nötige Portion Humor und ist ein schönes Gegengewicht zu Alma mit ihrer Neugier, die sie regelmäßig in Schwierigkeiten bringt. Und Ludwig sorgt für hübsche, kleine Schmetterlinge in der Magengegend. Schön, schön. ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Mit „Wir von der anderen Seite“ bin ich noch nicht ganz durch. Bis jetzt gefällt es mir sehr gut, das sind mindestens vier Sterne, aber ich lege mich noch nicht fest. Weil, ich muss ja wissen, wie es ausgeht, dann kann ich eine Lobeshymne schreiben und vielleicht sogar fünf Sterne vergeben. 😉 Stay tuned.

Und du, was hast du gelesen? War da was Gutes dabei?

Herbstlese

Grimms Herbstlese
Grimms Herbstlese

Diese Woche fand bei Grimms-lesen wieder die alljährliche Herbstlese statt. Ich gehe da unheimlich gerne hin. Frau Grimm und ihre Mitarbeiterinnen suchen immer schöne Sachen aus und es macht Spaß ihnen dabei zuzusehen, wie sie begeistert über Bücher reden. Dann geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch darum, welches Buch sprachlich anspruchsvoll oder thematisch aktuell ist. Ich habe auch zwei Moka-Heftchen mitgenommen, aber ich finde, das ist nicht das gleiche wie diese ganz persönlichen, ausführlichen Empfehlungen in der Buchhandlung. Weil, so nehme ich auch mal ein Buch mit heim, dass ich sonst im Laden nicht mal in die Hand genommen hätte. Ich bin ein bisschen festgefahren in meinen Gewohnheiten. Neulich zum Beispiel, da war ich in der Bücherei und habe wie gewohnt und ganz routiniert nach einem neuen Stephen-King-Hörbuch gegriffen. Damit mache ich nie was falsch. Ich fragte eine der Mitarbeiterinnen dort, eigentlich fast im vorbei gehen, ob sie mir noch was empfehlen könne. Sie drückte mir „Wir von der anderen Seite“ in die Hand und erklärte kurz, warum ihr genau dieser Roman gefallen habe. Ich las auf dem Cover: „Gelesen von Katja Riemann“ und diese Schauspielerin mag ich eigentlich nicht so gerne. Aus Gründen. Allein deshalb hätte ich, wie schon eben gesagt, das Buch nicht mal in die Hand genommen um den Klappentext zu lesen. U. meinte, das könnte mir gefallen, ich vertraue ihrem Urteil, und nahm es mit.

Nun war ich am Samstag wieder mit dem Auto unterwegs und stellte erstaunt fest, das Katja Riemann eine ganz tolle Hörbuch-Sprecherinn ist, ganz angenehm in der Stimmlage und sie vermittelt super den feinen Humor der Geschichte. Ich musste die Frau also aus der Schublade zerren, in die ich sie gesteckt hatte. Ich finde das ziemlich klasse. Urteile/Vorurteile/Wertungen neu sortieren – das schadet ja nie.

Ich habe erst das halbe Hörbuch gehört, aber Anika Decker hat mich in ihre Geschichte geholt; Rahel Wald wacht nach einer Sepsis und Multiorganversagen nach 10 Tagen aus dem Koma auf und muss ihr Leben ganz neu sortieren. Wie stellt man das an, wenn man Eichhörnchen halluziniert und nicht mal in der Lage ist, selbstständig ein T-Shirt anzuziehen? Tja, das verfolge ich gerade ganz gespannt. Jedenfalls.

Neulich Abend verließ mich meine extrovertierte Energie, dass passiert mir manchmal, dass die nicht für einen ganzen Abend reicht und ich nach Hause huschen muss. Aber das ist eine andere Geschichte. Mein Geburtstags-Büchergutschein und ich müssen die Woche noch mal in die Buchhandlung, um ein oder zwei der Empfehlungen zu kaufen. „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie“ klang nach einer Geschichte ganz nach meinem Geschmack.

Hast du mir noch eine Empfehlung, hm?

Ich war eine Ratte – Philip Pullman

Philip Pullman - Ich war eine Ratte

Ein namenloser Junge steht eines Abends vor der Tür des Ehepaars Bob und Joan. Die beiden sind kinderlos und nehmen den kleinen Jungen, verdreckt und hungrig wie er ist, in ihr Haus auf. Sie geben ihm den Namen Roger, etwas zu Essen und ein Bett.

Alles, was Roger zu seiner Vergangenheit sagt: Ich war eine Ratte.

Der Schuster Bob und seine Frau versuchen Rogers Eltern zu finden. Polizei, Rathaus, Krankenhaus und die Schule können nicht helfen. Roger findet bei Bob und Joan ein liebevolles Zuhause. Doch zerfetzte Bettdecken und angenagte Stuhllehnen nähren schnell den Verdacht, dass mit dem Jungen tatsächlich etwas nicht stimmt.

Gegen den Willen seiner Pflegeeltern wird der Kleine von einem Schausteller entführt, geschlagen und ausgebeutet. Erst wird er auf dem Jahrmarkt als Rattenjunge verhökert, dann gerät er an eine Bande Diebe und zum Schluss soll er als Monster aus der Kanalisation sogar hingerichtet werden. Eine Heztjagd beginnt. Presse, Wissenschaft und auch ein paar Schurken reißen sich um ihn. Dabei möchte Roger nur zu seiner Familie zurückkehren. Da wenden sich Bob und Joan an die geheimnisvolle Prinzessin Aurelia, um ihren Jungen zu retten.

Die Geschichte erinnert ein bisschen an Cinderella und an Oliver Twist und ist flott erzählt. Ein modernes Märchen quasi. Also eigentlich ist es ein Kinderbuch, meiner Meinung nach aber auch für Erwachsene geeignet, die sich anschließend Gedanken machen werden, welche Stellung Kinder in unserer Gesellschaft haben. Das Buch ist hochbrisant, aktuell und dabei unterhaltsam. Man muss Roger einfach gernhaben.

Das Buch wurde 2001 auch hübsch verfilmt mit Calum Worthy in der Hauptrolle.

– Philip Pullman
– Ich war eine Ratte
– Taschenbuch, 176 Seiten
– Carlsen Verlag, 2007
– Übersetzung: Wolfram Ströle, Cornelia Stoll
– Ab 12 Jahre

Der alte König in seinem Exil – Arno Geiger

Das Buch hat mich tief berührt.

Erst hörte ich ein Podcast-Interview mit Arno Geiger und dachte noch: „So ein feiner Mensch, wie der sich ausdrückt!“ Dann sah ich einen Fernsehbericht, in dem das Buch „Der alte König in seinem Exil“ vorgestellt wurde. Ich hab es sofort bestellt, noch am selben Abend. Warum? Weil ich auch einen Alzheimer-Fall im Dunstkreis der Familie hatte!? Nein, ich glaube daran lag es nicht mal. Mir gefiel die Formulierung in dem Fernsehbericht, in der Arno Geiger sagte, wenn der Vater nicht mehr in seine Welt könne, müsse er eben zu ihm. Das hat mich neugierig gemacht. Wie geht man über die Brücke zu einem Menschen, der nicht mal mehr weiß, was eine Brücke ist? Was bleibt denn übrig?

Ich habe das Buch am Stück gelesen, das geht mit Leichtigkeit. Trotz des ernsten Themas sprüht der Text vor Leichtigkeit, vor Lebensfreude. Arno Geiger, als Sohn, ist ein exakter Beobachter, und schreibt hier eine Liebeserklärung an den Vater, an das Leben an sich. Trotz des Verlusts, den er Tag für Tag erlebt, freut er sich an kleinen Dingen, an der kleinen Welt, die dem Vater bleibt. Ich glaube, da gehört viel Mut und Stärke dazu, in dieser Situation nicht zu verzweifeln, nicht mit Zorn zu reagieren. Ich habe das Buch mit Freude gelesen, und nehme die Hoffnung, die der Text spendet, fast greifbar, mit.

  • Arno Geiger
  • Der alte König in seinem Exil
  • Hanser Verlag, 2011
  • Hardcover, Taschenbuch, eBuch
  • 192 Seiten
  • ISBN-13: 978-3446236349

Früchte des Zorns

backlistmittwoch John Steinbeck

„Früchte des Zorns“ ist der vierte Roman, den ich von John Steinbeck gelesen habe. Der Mann hat sich klammheimlich in die Liste meiner Lieblingsautoren: Was für ein großartiger Schriftsteller.

Wie wird es sein, wenn man nicht weiß, was für ein Land da ist vor der Tür? Wie wird es sein, wenn man nachts aufwacht und weiß – weiß, daß der Weidenbaum nicht mehr da ist? Kann man denn leben ohne den Weidenbaum?

Zum Inhalt:

Tom Joad wird aus dem Gefängnis entlassen und kommt gerade noch rechtzeitig nach Hause. Seine Familie hat alle Habseligkeiten verkauft und will mit einem umgebauten LKW nach Kalifornien fahren – dort werden Arbeiter gebraucht. Pflücker für Orangen, Pfirsiche und Baumwolle. Ihre Farm müssen sie aufgeben, die anhaltende Dürre macht jede Ernte zunichte, große Firmen kaufen die Farmen auf, Traktoren ersetzen die Arbeit der Menschen. Die Familie Joad steht vor dem Nichts und macht sich mit großen Hoffnungen auf nach Kalifornien. Der ehemalige Prediger Casy schließt sich der Familie an. Es sieht Anfangs so aus, als wäre Tom Joad die Hauptfigur, bald wird aber klar, es ist seine Mutter – sie und alle Frauen dieser Zeit.

Alles, was gekommen ist, haben sie mit trockenen Augen hingenommen.

John Steinbeck erzählt die Geschichte dieser Flüchtlingsfamilie, stellvertretend für hunderttausende, die hungrig ihre Farmen aufgeben und ihr Glück woanders suchen. So wechseln auch die Kapitel ab, zwischen die Ereignissen, denen die Joads ausgesetzt sind,  und der Stimmung, die das ganze Land befällt. Er schafft es geschickt, ein großes Ganzes mit dem Einzelschicksal zu verbinden. Ein Beispiel: In einem Kapitel, das eigentlich nichts mit den Joads zu tun hat, will ein Mann Brot kaufen, für seine Frau und seine Söhne. Er geht in ein Diner, fragt nach Brot für 10 Cent. Das Brot kostet aber 15 Cent, das kann sich der Mann nicht leisten. Derweil stehen seine Buben vor einer Vitrine mit Zuckerzeug. Der Koch, der die Diskussion der Kellnerin und des Farmers mitanhört, herrscht sie an, sie solle das Brot für 10 Cent hergeben. Die Leute sind hungrig, in Gottes Namen, sie haben nicht mehr. Zwei LKW-Fahrer sehen das alles mit an. Die Kinder trauen sich nicht nach dem Zuckerzeug zu fragen, sie waren schon lange nicht mehr richtig satt und wissen, dafür fehlt das Geld. Der Mann stellt fest, dass er noch einen Penny übrig hat und fragt, was eine Zuckerstange kostet.

Die Kellnerin lügt: „Zwei Zuckerstangen für einen Penny.“ Die Buben bekommen also doch etwas Süßes, die Familie geht von dannen. Heute war ein guter Tag.

Es hat mal einer gesagt, man ist gerade so frei, wieviel man Geld hat, um dafür zu bezahlen.

Die LKW-Fahrer, die alles mitangesehen haben, bezahlen ihren Kaffee und geben Trinkgeld, wie sich das gehört. Am Schluss stellt die Kellnerin fest, das Trinkgeld reicht für das Brot und die Zuckerstangen. Das alles ist nicht rührselig, nicht kitschig, aber so beklemmend, dass ich geheult hab und das Buch beiseitelegen musste. Und sowas passiert mir selten. Ich habe mir dann die Mühe gemacht, mal zu schauen, wann das Buch entstanden/veröffentlicht wurde. 1938/1939. Und jetzt finde ich es noch krasser, weil das Buch bzw. diese Geschichte über siebzig Jahre später weder inhaltlich noch sprachlich an Brisanz verloren hat. Im Gegenteil. Wenn ich heute das Haus verlasse, dann höre ich all die Sätze, die in dem Buch vorkommen: Das sind keine Menschen. Wie soll das noch werden? Die nehmen uns die Arbeit weg. Wo kommen die alle her? Und wo wollen sie hin?

Die Aussage des Buches ist schlicht: „Alles, was lebt, ist heilig.“ Und wenn man das dann gelesen hat, liegt eine krasse, realitätsnahe, schmerzhafte Familiengeschichte vor einem. Die Mutter hält alles zusammen, sie ist der Kern der Geschichte, der Familie und dieser Prämisse. Zwischen all dem, liegt Hoffnung, liegt Optimismus. Aber man muss wirklich genau hinsehen um das zu bemerken.

Pferde sind, scheint´s, verdammt viel mehr wert wie Menschen.

Drei Wochen – und so lange habe ich gebraucht um diesen Wälzer zu lesen – hat mich diese Geschichte geplagt und begeistert. Es war schlimm und traurig und gleichzeitig großartig. Ich will es eigentlich gar nicht extra sagen, aber ich tu´ es trotzdem. Geh los, und lies dieses Buch.

  • Früchte des Zorns
  • John Steinbeck
  • Erhältlich als Tschenbuch bei dtv.
  • (Meine Ausgabe ist von 1963, Bertelsmann Lesering, Gebunden)

Der Tod ist ein Postmann mit Hut – Martin von Arndt

Der Tod ist ein Postmann mit Hut

Drüben bei Instagram ist #backlistmittwoch und ich habe in meinen Rezensionen gestöbert, auf der Suche nach einem geeigneten Beitrag, und bin dabei auf dieses Buch gestoßen. Den Postler kann ich auch heute noch herzlich weiter empfehlen. Überhaupt würde ich gern wieder regelmäßig(er) bloggen und über Bücher/Lesen/Literatur sprechen. Kennst du den Titel schon? Oder kann ich dich vielleicht dafür begeistern, hm?

Rezension:

Irgendein schlauer Autor, ich glaube es war Arno Geiger, aber sicher bin ich mir nicht, hat einmal gesagt: Jede Geschichte sollte von der Einsamkeit des Einzelnen handeln. Ganz spontan brachte ich dem Mann all meine Sympathie und all mein Ja entgegen.

Mit diesem Satz im Hinterkopf bekam ich „Der Tod ist ein Postmann mit Hut“ in die Hände. Jetzt bin ich ein ganz klein wenig in Julio verliebt, obwohl er ein tapsiger, unbeholfener Pandabär ist, der gerade feststeckt, in seinem Leben.

Julio ist, um es nett zu formulieren, ein Verlierertyp, der diesen Umstand auch noch irgendwie gut findet. Er trauert seiner geschiedenen Frau nach, er lebt mit einem Stoff-Pandabären (!) und all den Fotos seiner vergangenen Ehe in seiner Wohnung, verdient sein Geld mit Musik, ohne je groß Karriere zu machen. Er denkt über seine tote Mutter nach, an die Vorwürfe, und an den Selbstmörder-Vater. Das einzig Interessante in seinem Leben ist immer der erste Mittwoch im Monat, wenn er Post bekommt. Ein leeres Einschreiben ohne Absender. Monat für Monat.

Julio beginnt zu forschen, wer schickt ihm die leeren Seiten, was soll das bedeuten? Im Zuge seiner Nachforschungen freundet er sich mit einem Nachbarn an, dem sympathischsten Grantler den ich je kennen gelernt habe. Der Mann hat mir mehrfach ein herzhaftes Lachen entlockt. Koloman, der Grantler und Julio wollen dem Rätsel gemeinsam auf die Spur kommen. Der Grantler ein bisschen mehr, als Julio. Und während sie suchen und forschen, verändert sich Julio. Nicht im großen Stil, das hier ist kein MTV Make over. Im Kleinen, ganz langsam.  Es wäre an dieser Stelle zu viel verraten, wenn ich schriebe, ob Julio es schafft, diesen einen Schritt zu tun, auf das Leben zu, auf sich  – es ist auch unerheblich. Ich mag Julio, ich mag den Grantler und seinen Hund Tadzio. Mir kommt es so vor, als würden mich die Figuren an der Hand nehmen, und an der Suche beteiligen. Ich mag die Details der Geschichte, die Echtheit der Figuren, ihre Sprechweise, ihre Art – ganz, als würde ich sie kennen. Ich mag die Bedeutung der ungesagten Worte.

  • Autor: Martin von Arndt
  • Herausgeber‏: ‎ Klöpfer und Meyer; 1., Erstauflage (31. August 2009)
  • Sprache: ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe: ‎ 205 Seiten (auch als eBook erhältlich)
  • ISBN-10: ‎ 3940086371
  • ISBN-13: ‎ 978-3940086372

Drachen-Feedback

Ui, so eine schöne Rezension zu meinen Drachen. Vielen Dank. 🙏

Rezension zu "Das Drachenvolk von Leotrim"

Eine wunderbare, bewegende All-Age-Fantasygeschichte – die komplette Drachen-Trilogie im Sammelband!
Diese E-Book-Sonderausgabe enthält die Romane ›Drachenbrüder‹, ›Drachensichel‹ und ›Drachenfrieden‹ aus der beliebten All-Age-Fantasy-Reihe ›Das Drachenvolk von Leotrim‹.


Leserstimmen:
»Ich habe gelitten, gelacht, mitgefiebert und wurde verzaubert von dem tollen Buch.«
»Flüssig zu lesen, spannend. Für alle Altersgruppen geeignet.«
»Toll geschriebene Fantasy, die mich auf den ersten Seiten schon nicht mehr losgelassen hat.«
»Die Drachen sind hier nicht furchterregend, sondern die Freunde der Menschen, diese Vorstellung gefällt mir sehr.«

Die Einzelbände der Reihe sind auch als Taschenbuch erhältlich.
Band 4 „Drachenwandel“ ist vorbestellbar und erscheint am 16. Januar 2023.

Band 1: Drachenbrüder
Unter den Millionen Augen der Lichter lebt das Drachenvolk von Leotrim. Der Drache Norwin hat einen schwierigen Start ins Leben. Eine Amme lässt sein Ei fallen, die Schale ist beschädigt, ein Flügel verletzt. Es wird schnell klar, er wird nie fliegen können. Als er alt genug ist, kommt sein menschlicher Vater, um ihn bei den Menschen leben zu lassen. Die Drachenmutter muss darauf hoffen, dass die jahrhundertealte Verbindung zwischen den Völkern ausreicht, um Norwin einen Platz in ihrer Mitte finden zu lassen. Anfänglich hat sein halbgebürtiger Bruder Ambro Schwierigkeiten, etwas mit seinem Drachenbruder anzufangen. Die beiden passen nirgends hin. Jeder in Leotrim hat seinen Platz, seine Aufgabe. Diese beiden müssen nun selbst herausfinden, wofür sie gut sind.

Band 2: Drachensichel
»Alles Leben beginnt im Wasser…«, flüsterte Dakota. Der Drache ergänzte: »…und endet im Feuer.« Dakota lebt wohlbehütet bei der Chronistin als ihr Mündel. Dies ändert sich an dem Tag ihres sechzehnten Geburtstags. Sie muss losziehen, um endlich hinter die Geheimnisse ihrer eigenen Herkunft zu kommen und spielt dabei manches Mal mit dem Feuer. Gleichzeitig finden auch Ambro und sein Drache Norwin immer mehr Antworten auf die Fragen ihres Lebens – nicht alle davon sind leicht zu ertragen. Und doch ergeben sie – einem Puzzle gleich – nach und nach einen tieferen Sinn. Im zweiten Band der Trilogie laufen bereits mehrere Fäden der aus »Drachenbrüder« bekannten Geschehnisse zusammen, die Protagonisten befinden sich weiter auf dem Weg, sich selbst und Leotrim mit all seinen Bewohnern besser kennenzulernen. Manch eine überraschende Wendung lässt den Leser klopfenden Herzens weiterblättern.

Band 3: Drachenfrieden
›Nicht alle Leben sind gleich viel wert.‹ Kann der Drachenfrieden trotzdem gewahrt werden? Um das herauszufinden, folgt der junge Ambro dem Ruf der Mutter aller Wasser. Zusammen mit seinem Drachenbruder macht er sich auf den Weg zu ihr und wird in den Himmelsbergen mit der folgenschwersten Überraschung seines Lebens konfrontiert. Ambro wird klar, wie blind er bislang war. Nun muss er stark sein. Ist er all dem gewachsen? Im dritten Band der Trilogie kommt auch Dakota hinter so manches Geheimnis ihrer Andersartigkeit und erkennt letztlich, wer sie wirklich ist. Und selbst die Chronistin erfährt die größte Kehrtwende ihres Lebens. Vieles verbindet sich, anderes trennt sich, einiges wird heil – das Leben in Leotrim gerät zwischen die Fugen des Schicksals.

Der Schrecken verliert sich vor Ort

Der Schrecken verliert sich vor Ort

Ausgelesen.

Dieses Buch hallt noch nach, ich überlege, es gleich noch mal zu lesen. Aber vermutlich werde ich nie ganz begreifen, wie Ausschwitz existieren oder wie Menschen diesen Ort überleben konnten. Heiners Geschichte macht klar: Er lebt, aber dem Grauen entkommt er nicht.

Ich habe mich das schon oft gefragt: Wie schafft man das? Wie findet man seinen Weg in ein normales Leben? Heiraten, Kinder kriegen, Freundschaften pflegen, einen Beruf ausüben, vielleicht ständig Erinnerungen und Tätern begegnen?

Heiner hat Ausschwitz überlebt. Jahre später muss er vor Gericht aussagen. Allein der Unterschied zwischen dem, was er erlebt hat, wie er sich daran erinnert, und wie Anwälte und Richter ihre Fragen stellen, was sie für Fakten, Zahlen, Beweise wollen… es ist ein Irrsinn. Das, was Heiner sagen will, und das was er antworten muss, ist kaum zu ertragen. Im Flur vor dem Gerichtssaal sackt er zusammen und begegnet Lena. Sie verlieben sich, kaum zu glauben. Heiner muss reden, muss erzählen, er bringt seine Vergangenheit und sein Trauma mit in die Beziehung. Ein Senfglas voller Knochenstaub immer dabei. Für mich ist das völlig logisch, dieses Glas; das er daran festhält. Die Frage ist: Reicht Liebe aus, um damit zurechtzukommen? Lena kämpft, um sich nicht zu verlieren. Sie muss Publikum sein, Zuhörerin, weil sie es nicht erlebt hat, diesen Schmerz, und ausgeschlossen bleibt.

Die Vergangenheit streckt immer wieder ihre kalten Finger in die Gegenwart hinein, es geht um Ausschwitz damals und heute, aber vor allem um Heiner und Lena, eine wahnsinnige Geschichte. Ich musste das Buch alle 30 Seiten beiseitelegen, nachdenken, manches, weil ich es nicht parat habe, recherchieren, nachlesen, begreifen versuchen. Ich empfehle das Buch, das ist tatsächlich, meiner Meinung nach ein must-read. ★★★★★

Allerdings: schwerer Tobak.

  • Monika Held
  • Der Schrecken verliert sich vor Ort
  • Roman, Taschenbuch, 272 seiten
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3404176267

Christie Malry

Christie Malrys doppelte Buchführung
Christie Malrys doppelte Buchführung

Ausgehört.

Ich vernachlässige meine sozialen Kanäle gerade, weil Offline so viel los ist. Aber lesen bzw Hörbücher lauschen während langer Autofahrten tue ich natürlich trotzdem. Letzte Woche habe ich Christie Malrys doppelte Buchführung gehört, aber leider war das überhaupt nicht mein Fall. Zum einen mag ich Martin Semmelrogge als Sprecher nicht. Der fing noch halbwegs frisch und deutlich an, und je länger das Drama dauerte um so mehr nuschelte und knurrte er sich durch die Geschichte. Da bin ich leider nicht in der Zielgruppe. Und die Geschichte ist simpel; Christie findet, alle sind gemein zu ihm. Er rechnet in seiner Buchführung mit jedem und allem ab und nimmt sich, was ihm zusteht. Sein eigenes Soll sieht er dabei nicht und ich bin müde. Diese Denkweise habe ich zu oft gesehen/gelesen/gehört. Ich hab das satt. Das Buch mag clever und böse und witzig sein, mich erreicht das nicht. Christie ist ein unsympathischer, selbstgerechter Schwachkopf. ⭐️⭐️⭐️

  • Christie Malrys doppelte Buchführung
  • B. S. Johnson
  • Übersetzung: Michael Walter
  • Sprecher: Martin Semmelrogge
  • Herausgeber: Kein & Aber

Kommissar Gordon

Ulf Nilsson. Kommissar Gordon – Der letzte Fall?

Ich möchte diese Geschichte mögen. Doch, wirklich. Kommissar Gordon und seine Assistentin Buffy sind herzig. Im Wald, da geschehen merkwürdige Dinge. Andere Tiere werden geärgert, Kinder werden ausgeschlossen, so geht das nicht: Da muss ermittelt werden. Das ist ein großes Plus an der Geschichte. Ganz leicht wird da Polizeiarbeit vermittelt. Während Kommissar Gordon nachdenkt und der Grenze zwischen Gut und Böse nachfühlt, stürzt sich Buffy in die Ermittlungen. Unauffällig soll sie Befragungen durchführen, doch niemand traut sich so Recht eine Aussage zu machen. Ich finde schön mit wie viel Herz die beiden miteiander umgehen. Gordon empfindet ganz viel Liebe für Buffy und unterstützt sie wo er kann. Und sein Unrechts-Empfinden sagt ganz klar: Gemein sein geht gar nicht. Kinder ausgrenzen sowieso nicht. Und so gehen die Zwei, jeder auf seine Art, seinen Stärken entsprechend, ans Werk. Aber. Und jetzt muss ich ein bisschen meckern. Aber, zwei Sachen gefallen mir nicht.

  1. Kommissar Gordon ist eine Kröte, er ist unförmig und verfressen. Damit kann ich gut leben. In einer Szene tut er sich weh, er weint, dann schämt er sich, und dann futtert er 8 Muffins um seinen Kummer damit herunter zu schlucken. Ich muss dazu sagen, dass mich die Disskussionen in den letzten Monaten genervt haben. Bücher, die 20 oder 50 oder sogar 100 Jahre alt sind, werden kritisiert, dass sie nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechen. Wir haben uns weiter entwickelt und Begrifflichkeiten, Umgangsformen etc. haben sich verändert. Alles gut soweit. Dieses Buch ist 2015 erschienen und ich verstehe nicht, warum in der eben beschriebenen Szene nicht steht: „Weine ruhig, du hast dir weh getan, da muss man sich nicht schämen. Und den Muffin, den kannst du auch essen, aber während du das tust, erzählst du mir, was los ist.“ Buffy, die ein sehr einfühsames Mäuse-Mädchen ist, würde meiner Meinung nach, sowas sagen. So eine Aussage würde perfekt in ihren Mund passen. Weil, während ihrer Ermittlungen im Wald, tut sie genau das. Nur der alte Kommissar, der bleibt mit seinem Kummer allein, frisst ihn in sich hinein. Schade, hier ist eine große Chance es besser zu machen, verschenkt worden.
  2. Achtung Spoiler. Das Team ermittelt die Täter, nennt auch ganz kurz Gründe, und Kommissar Gorden löst den Konflikt auf. Für meinen Geschmack fehlen mir hier ein oder zwei zusätzliche Ergänzungen. Ich finde es von Kindern, die das Buch lesen, viel verlangt, zu begreifen, was Kommissar Gordon da gemacht hat. Auf den ersten Blick sieht es nämlich aus, als würden die beiden Täter ungeschoren davon kommen. Tun sie nicht. Auch die Motive kommen mir ein bisschen zu kurz. Ich sehe ein, die Bestrafung eines Täters ist nicht Polizeiarbeit, das ist eine andere Institution. Aber Buffy war dem Motiv auf der Spur, das wird ann aber kurz und knapp abgehandelt. Zwei Sätze mehr dazu hätten diese schöne Geschichte rund und hübsch gemacht. Daher nur ★★★
  • Ulf Nilsson, Gitte Spee, Ole Könnecke
  • Kommissar Gordon – Der letzte Fall?
  • Moritz Verlag
  • 128 Seiten
  • Lese-Alter: 8 bis 10 Jahre
  • ISBN: 978-3895653087
  • 12,95 €


Kategorie: #BacklistMittwoch