tbt – Straße der Wunder

#ThrowbackThursday

Heute hat John Irving Geburtstag und es ist Donnerstag. Also eine prima Gegenheit mal wieder eine Rezension von einem früheren Werk zu teilen. Hier ist meine Rezesnion zu „Staße der Wunder“.

~Caro

John Irving - Straße der Wunder
John Irving – Straße der Wunder

John Irving hält, einem Zirkusartisten gleich, wahnsinnig viele Bälle in der Luft. Er tut das gekonnt, er tut das brillant. Er lässt keinen Ball fallen. Als Leserin muss ich mitdenken, meine Augen dauernd auf seinen Trick gerichtet lassen.

Wir sind die Wundersamen.

Irving mag Dickens. Das ist bekannt. „Die Weihnachtsgeschichte“ erwähnt er mit keinem Wort und doch ist „Straße der Wunder“ vom Geist der Vergangenheit, vom Geist der Gegenwart und vom Geist der Zukunft durchwirkt.

Juan Diego wird heimgesucht, von diesen drei, die in ihren Zeitebenen hin und her springen, Traum und Wirklichkeit verschwimmen lassen. John Irving ist ein Zirkuskind, das seine Tricks verrät. Ständig teilt er mir als Leserin mit, wie er es macht, wie er mich manipuliert und dran kriegt und doch kann ich meine Augen nicht abwenden, obwohl ich weiß, dass es ein Trick ist.

Hinter jeder Reise steckt ein Grund.

Ich sehe die Zusammenhänge, auf irgendeiner Ebene meines Bewusstseins verstehe ich die Verbindung zwischen dem Artistenmädchen, dem Wunder Dolores und Dorothy, die Tochter, die den Schriftsteller verführt. Ich weiß, dass Dorothy im Prinzip die Liebe Frau von Guadalupe ist. Ich weiß auch, das Miriam das Monster Maria ist. Meistens weiß ich, wann Juan Diego träumt und wann nicht. Manchmal spielt es aber gar keine Rolle. Alles verschwimmt. Alles ist verbunden. Es ist nie ganz klar ob die zwei Frauen wirklich existieren oder nur in der Einbildung des Schriftstellers. Es gibt wieder wahnwitzige und schnelle Dialoge, das perfekt choreografierte Chaos.

In jedem Leben kommt ein Augenblick, wo man loslassen muss – mit beiden Händen. 

John Irving entfaltet seine Charaktere langsam, er braucht seine Zeit. Er ist ein langsamer Schreiber. Und er entfaltet das Ende, schon hundert Seiten vor Schluss. Die Stimmung ändert sich: Eine Geschichte enden lassen, das kann er verdammt gut. Ich weiß was kommt. Ich sehe es. Er sagt mir ja, was er da mit mir macht. Trotzdem oder deswegen haut es mich um. Und dann lässt er mich zurück in dieser Stimmung, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Das kann keiner so gut wie er. Das Buch hat seine Längen, es kommt sehr viel Sex und Glaube darin vor. Aber wäre es nicht so, es wäre kein Irving-Roman.

Wir müssen nicht erklären, was ein Wunder ist oder nicht ist – wir haben es gesehen.

Lupe, diese shakespearesche Hexe des Schicksals; die Motive in Irvings Romanen mögen bekannt sein und doch ist hier so einiges anders. Ich will nicht zu viel verraten, ich habe eh schon wild gespoilert. Sorry. 

Straße der Wunder ist eine Mischung aus Gottes Werk, Zirkuskind, Dickens und Shakespeare. Juan Diego tritt eine Reise an, die er lange aufgeschoben und letztlich nicht selbst organisiert hat. Jedes Mal, wenn er die Augen schließt, ist er wieder 14, zurück in Mexiko und erlebt die Geschichte, wie er da raus gekommen ist. Es ist die Geschichte, wie aus dem Müllkippenkind ein Schriftsteller wird.

Seine letzte Chance aus Litauen raus zu kommen.

Juan Diego hat Zeit geschenkt bekommen und das Opfer war groß. Deshalb bin ich traurig und froh zugleich. Juan Diego ist im Irving Universum ein klein wenig anders. Er ist Schriftsteller, aber kein Vater. Er ist ein Zirkuskind, aber kein Artist. Er ist gläubig, aber nicht religiös. Er ist einsam, aber nicht allein. John Irving erzählt nichts einfach so. Alles hat am Schluss seinen richtigen Platz, kein Detail ist unnötig. Er ist ein Mann der Wiederholung, ein Mann der Details. Wer „Zirkuskind“ gelesen (und gemocht) hat, wird Martin wieder erkennen, den jesuitischen Zwillingsbruder und John D.

Juan Diego und John D. haben die selben Initialen. Zufall? Ich glaube nicht!

Es kommt einem so vor, als würde man eine lange Strecke zurücklegen, weil es anstrengend ist, aber im Grunde beackert man altes Terrain – man bleibt auf vertrautem Gebiet. 

Einzig das deutsche Cover irritiert mich. Juan Diego und Lupe auf einem Fahrrad?

Es ist eine schicksalhafte Welt; das Unvermeidliche wirft seine dunklen Schatten voraus.

Juan Diego sagt, er schreibe nicht über sich. Nein, John Irving lässt Juan Diego sagen, er schreibe nicht über sich. Vermutlich ist das wahr und gleichzeitig nicht. Letztendlich ist es aber egal. Eine Autobiografie ist immer nur eine Seite der Geschichte. Sie ist unvollkommen in seiner Gesamtheit. Irving versucht alles unterzubringen, den Anfang, das Ende, die Hoffnung, alle unschönen Details, die Verwicklungen, die Unfälle und die Träume. Vor allem die Träume. In jedem Buch steckt auch die Anleitung wie er es gemacht hat, wie man ein Buch schreibt. Juan Diego und/oder John Irving dozieren gern. Und ich höre zu.


  • Autor: John Irving
  • Straße der Wunder
  • Übersetzer: Hans M. Herzog
  • Roman, Diogenes Verlag
  • Taschenbuch: ‎ 784 Seiten
  • ISBN-10 : ‎ 3257244126
  • ISBN-13: ‎ 978-3257244120
  • Originaltitel: ‎ Avenue of Mysteries
  • Klappentext:

Juan Diego und seine für alle anderen unverständlich sprechende Schwester Lupe sind Müllkippenkinder in Mexiko. Ihre einzige Überlebenschance: der Glaube an die eigenen Wunderkräfte. Denn Juan Diego kann fliegen und Geschichten erfinden, Lupe sogar die Zukunft voraussagen, insbesondere die ihres Bruders. Um ihn zu retten, riskiert sie alles. Verführerisch bunt, magisch und spannend erzählt: zwei junge Migranten auf der Suche nach einer Heimat in der Fremde und in der Literatur.

Straße der Wunder

 

John Irving - Straße der Wunder
John Irving – Straße der Wunder

 

John Irving hält, einem Zirkusartisten gleich, wahnsinnig viele Bälle in der Luft. Er tut das gekonnt, er tut das brillant. Er lässt keinen Ball fallen. Als Leserin muss ich mitdenken, meine Augen dauernd auf seinen Trick gerichtet lassen.

Wir sind die Wundersamen.

Irving mag Dickens. Das ist bekannt. „Die Weihnachtsgeschichte“ erwähnt er mit keinem Wort und doch ist „Straße der Wunder“ vom Geist der Vergangenheit, vom Geist der Gegenwart und vom Geist der Zukunft durchwirkt.

Juan Diego wird heimgesucht, von diesen drei, die in ihren Zeitebenen hin und her springen, Traum und Wirklichkeit verschwimmen lassen. John Irving ist ein Zirkuskind, das seine Tricks verrät. Ständig teilt er mir als Leserin mit, wie er es macht, wie er mich manipuliert und dran kriegt und doch kann ich meine Augen nicht abwenden, obwohl ich weiß, dass es ein Trick ist.

Hinter jeder Reise steckt ein Grund.

Ich sehe die Zusammenhänge, auf irgendeiner Ebene meines Bewusstseins verstehe ich die Verbindung zwischen dem Artistenmädchen, dem Wunder Dolores und Dorothy, die Tochter, die den Schriftsteller verführt. Ich weiß, dass Dorothy im Prinzip die Liebe Frau von Guadalupe ist. Ich weiß auch, das Miriam das Monster Maria ist. Meistens weiß ich, wann Juan Diego träumt und wann nicht. Manchmal spielt es aber gar keine Rolle. Alles verschwimmt. Alles ist verbunden. Es ist nie ganz klar ob die zwei Frauen wirklich existieren oder nur in der Einbildung des Schriftstellers. Es gibt wieder wahnwitzige und schnelle Dialoge, das perfekt choreografierte Chaos.

In jedem Leben kommt ein Augenblick, wo man loslassen muss – mit beiden Händen. 

John Irving entfaltet seine Charaktere langsam, er braucht seine Zeit. Er ist ein langsamer Schreiber. Und er entfaltet das Ende, schon hundert Seiten vor Schluss. Die Stimmung ändert sich: Eine Geschichte enden lassen, das kann er verdammt gut. Ich weiß was kommt. Ich sehe es. Er sagt mir ja, was er da mit mir macht. Trotzdem oder deswegen haut es mich um. Und dann lässt er mich zurück in dieser Stimmung, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Das kann keiner so gut wie er. Das Buch hat seine Längen, es kommt sehr viel Sex und Glaube darin vor. Aber wäre es nicht so, es wäre kein Irving-Roman.

Wir müssen nicht erklären, was ein Wunder ist oder nicht ist – wir haben es gesehen.

Lupe, diese shakespearesche Hexe des Schicksals; die Motive in Irvings Romanen mögen bekannt sein und doch ist hier so einiges anders. Ich will nicht zu viel verraten, ich habe eh schon wild gespoilert. Sorry. 

Straße der Wunder ist eine Mischung aus Gottes Werk, Zirkuskind, Dickens und Shakespeare. Juan Diego tritt eine Reise an, die er lange aufgeschoben und letztlich nicht selbst organisiert hat. Jedes Mal, wenn er die Augen schließt, ist er wieder 14, zurück in Mexiko und erlebt die Geschichte, wie er da raus gekommen ist. Es ist die Geschichte, wie aus dem Müllkippenkind ein Schriftsteller wird.

Seine letzte Chance aus Litauen raus zu kommen.

Juan Diego hat Zeit geschenkt bekommen und das Opfer war groß. Deshalb bin ich traurig und froh zugleich. Juan Diego ist im Irving Universum ein klein wenig anders. Er ist Schriftsteller, aber kein Vater. Er ist ein Zirkuskind, aber kein Artist. Er ist gläubig, aber nicht religiös. Er ist einsam, aber nicht allein. John Irving erzählt nichts einfach so. Alles hat am Schluss seinen richtigen Platz, kein Detail ist unnötig. Er ist ein Mann der Wiederholung, ein Mann der Details. Wer „Zirkuskind“ gelesen (und gemocht) hat, wird Martin wieder erkennen, den jesuitischen Zwillingsbruder und John D.

Juan Diego und John D. haben die selben Initialen. Zufall? Ich glaube nicht!

Es kommt einem so vor, als würde man eine lange Strecke zurücklegen, weil es anstrengend ist, aber im Grunde beackert man altes Terrain – man bleibt auf vertrautem Gebiet. 

Einzig das deutsche Cover irritiert mich. Juan Diego und Lupe auf einem Fahrrad?

Es ist eine schicksalhafte Welt; das Unvermeidliche wirft seine dunklen Schatten voraus.

Juan Diego sagt, er schreibe nicht über sich. Nein, John Irving lässt Juan Diego sagen, er schreibe nicht über sich. Vermutlich ist das wahr und gleichzeitig nicht. Letztendlich ist es aber egal. Eine Autobiografie ist immer nur eine Seite der Geschichte. Sie ist unvollkommen in seiner Gesamtheit. Irving versucht alles unterzubringen, den Anfang, das Ende, die Hoffnung, alle unschönen Details, die Verwicklungen, die Unfälle und die Träume. Vor allem die Träume. In jedem Buch steckt auch die Anleitung wie er es gemacht hat, wie man ein Buch schreibt. Juan Diego und/oder John Irving dozieren gern. Und ich höre zu.

Wochenrückblick KW 47

Letzte Woche war einiges los. Meine eigene Lesung in der Buchhandlung „Grimm´s lesen & genießen“, war in mehrfacher Hinsicht aufregend. Mein erster Soloflug mit meinem neuen Buch und ohne meine Kollegen der get shorties Lesebühne in meiner Heimatstadt. Hui. Schön war´s. Daran könnte ich mich gewöhnen.

 

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Dann habe ich herausgefunden, dass John Irvings neuer Roman auf Deutsch „Straße der Wunder“ heißt und ich habe das gute Stück gleich mal vorbestellt. Die erste Besprechung habe ich auch schon gelesen und bin freudig aufgeregt. Bei Youtube gibt es diverse neue Videos mit furztrockenen aber saukomischen Interviews und Besprechungen. Ich schau sie alle! Eh, klar.

[Link: Amazon. Noch schöner wär deine örtliche Buchhandlung, just sayin´]

2015-11-10 21.19.18Derweil las ich „Mauersegler“ von Christoph Poschenrieder. Eine Berührende Geschichte um fünf Männer, die im Alter eine WG gründen um sich nach und nach gegenseitig aus dem Leben zu helfen. Das Ende habe ich erahnt, und war dennoch überrascht. Poschenrieder pflegt einen knappen Erzählstil, einen feinen Humor und große Erzählkunst. Meine herzliche Empfehlung.

[Link: Amazon. Buchhandlung, you know!]

Ich habe einige gute Sachen gesehen. Zum Beispiel „Mara und der Feuerbringer“ [Link. Imdb] Ich weiß nicht genau, warum ich so skeptisch an den Film heran gegangen bin, ich bin mir sicher, ich habe nicht Bernd, das Brot erwartet. Aber manchmal, da geht man mit ganz wenig Erwartung an etwas heran, und dann ist die Freude um so größer, wenn der Film oder das Buch richtig gut ist. So ging es mir hier. Ich mag Maras schnodderige Art, den Liefers als merkwürdigen Professor und sogar Christoph Maria Herbst als Loki. Die Special Effekts sehen auch alle hübsch aus, am Schluss war ich gut unterhalten und bereit für mehr. Wann kommt die Fortsetzung, hm??

Ich mag nicht mehr Sachen sehen wie „Game of Thrones“. Ich schaue eine entsetzliche Folge nach der anderen, nur um am Schluss sagen zu können: Ich bin entsetzt.

(Warum genau tue ich mir das an?)

Ich habe mich bewusst für „The Newsroom“ [Link: Imdb] entschieden. Ich liebe Serien, grundsätzlich. Und ich mag es, wenn die ganze Staffel auf DVD auf meinem Tisch liegt und ich, wenn mir die Serie nach Folge 1 zusagt, gleich noch vier Folgen dazu angucken kann.

[Kurzer Abschweif: Programme wie RTL oder Pro7 machen mich völlig wahnsinnig. Diverse kurze Werbeblöcke, gefühlt vier oder fünf in einer Episode, die 43 Minuten dauert. Ich verstehe nicht, warum man nicht eine Episode ausstrahlen und dann einen großen Werbeblock zwischen den Folgen machen kann. Und eine Staffel im Herbst anzufangen, um dann ein paar alte Folgen über Weihnachten dazwischen zu schieben, um dann im Frühjahr, mit wochenlanger Pause dazwischen, weiter zu führen, vermiest einem jegliches Fernseh-Serien-Vergnügen. Aber das nur am Rande.]

Jedenfalls.

Wenn ich blutrünstige Sachen sehen will, kann ich auch die Nachrichten sehen. Also, „The Newsroom“! Von dieser Serie bin ich ehrlich begeistert. Ich mag diese Sorte Charakter:

Er sieht aus wie ein Arsch, klingt so, benimmt sich so. Und dann, Bäm. Eine aussergewöhnliche Situation und er sagt im richtigen Moment das richtige und ist fünf Minuten lang kein Arschloch. Diese Sorte himmle ich heimlich an. (Keine Ahnung warum.)

Ich mag die Figuren, die klugen, hitzigen Diskussionen, diese leichte Spannung, wenn man eigentlich weiß was kommt und sich dann freut, wenn es doch ganz anders läuft.

Ach, und dann habe ich noch „Kings of Summer“ [Link: Imdb] gesehen. Wer „Stand by me“ mochte, wird hieran auch Freude haben. Drei merkwürdige Jungs haben die Schnauze voll von ihren Eltern und bauen sich ein Haus im Wald. Wie cool ist das, bitte?

Und aktuell? Aktuell lese ich „Abbitte“. Und du?

~Caro

 

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Ich mit meinem Lieblingsbuch in meiner Lieblingsbuchhandlung: #unabhängigerBuchhandel