#tbt #throwbackthursday
Einen dunklen Weg beschreiben
Schreibübung. Text von Carolin M. Hafen
Es ist nicht schwer bei Sonnenuntergang zum Grillplatz zu laufen. Man weiß wo was ist, freut sich auf sein Grillwürstle, die Gespräche und sogar auf die albernen Lieder, die später am Lagerfeuer gesungen werden. Erst auf dem Rückweg, nachts wird mir und so manchem meiner Kollegen klar: Es ist finster und der Weg zum Parkplatz zwanzig Minuten weit.
Beim Hinweg ist jedem klar, rechts ist der Wald als große bunte Masse, und links der Rand. Der Randweg, an der Klippe entlang ist durch ein Holzgeländer gesichert, hin und wieder läd eine Holzbank zum Verweilen ein – mit atemberaubendem Ausblick auf unser Städtle. Da und dort wartet ein abgesägter Baumstumpf, in Form eines Stuhls mit Lehne und Plumpsklo-Herzle in der Mitte auf einen müden Wandrer.
Beim Hinweg betrachtet man die Sonne, wie sie ganz kitschig den Horizont küsst und abtaucht für die Nacht. Man sagt, „Oh wie schön, diese Farben“ und hat gar keinen Sinn für die Steine unter den Schuhen, für die Furchen im Weg, ausgespült – auch ganz kitschig – von tausend Himmelstränen die zurück wollen in den Grund. Ach ist das alles idyllisch hier. Man sieht ja alles, jede Stolperfalle, jede Wurzel, die trockenen Blätter, die man durch die Luft kicken kann, als wäre man Ronaldo im Herbstteam. Es ist aber noch gar nicht Herbst, die Blätter rascheln lange nicht so schön wie im Oktober, also lässt man es, und freut sich über den August– der Herbst ist noch weit weg.
Beim Hinweg ist alles schön. Für den Rückweg spart man keine Kraft auf. Wozu? Gesättigt und guter Dinge verlässt man den warmglühenden Schein des Lagerfeuers und stellt fest: Taschenlampe vergessen. Das Feuer wärmt nicht mehr, der Mond hat sich hinter einer Wolke versteckt und grinst hämisch. „Find´ du nur den Weg zurück – ohne mich, Menschlein.“
Die Lichter der Stadt, die Straßenlaternen, die Wohnzimmerlichter, die Autos leuchten so sehr sie können, doch nicht genug, den Berg herauf. Der Kalkstein am Randweg hält alles auf. „Nicht bis hier, kleiner Freund. Neinnein.“ Die Stadt lebt weiter, weit weg, getrennt vom Wald, von diesem Oben, getrennt von der Dunkelheit der Nacht, als stünde eine Glaskuppel wachend über ihr.
Da ist eine Wand aus gelbem Stein, und ich balanciere am obersten Rand, die Dunkelheit zu meiner Linken, wie ein atmendes Monster. Ich spüre den Wald als ein lebendiges Wesen. Die Bäume machen das Dunkel noch dunkler, der Wind in den Wipfeln rauscht wie das Meer, aber nicht beruhigend – ich meine, eine Welle könnte mich über den Rand spülen. Die Furchen im Weg erschweren meinen Heimweg, ich stolpere mehr als ich gehe, fange mich selbst, greife nach dem taunassen Geländer, kalt und spröde ist es unter meinen Fingern. Es hält mich.
Die Kiesel knirschen, springen unter meiner Sohle weg wie ängstliche Hasen. Ich will ihnen gerne folgen. Die Blätter knistern und rascheln wie ein Feuer und laden nicht mehr zum Kicken ein, wer weiß was sich darunter verbirgt? Sie bedecken die Welt, es ist nicht meine, heute Nacht.
Es kommt mir vor als hätte die Nacht Augen, aber nicht der Mann im Mond sieht mir zu wie ich zu meinem Auto eile. Mein Atem ist das einzige Geräusch das ich höre, und mein Herzschlag in meinem Ohr. Vielleicht ist es auch der Puls derer, vor denen ich flüchte? Ich glaube an Bären und Wölfe und Geister der Nacht. Gerne möchte ich mit Gebrüll ins Dunkel laufen – weg vom Rand – und sie fangen, gerne wäre ich dran bei diesem Spiel. Aber es ist nicht meins, heute Nacht. Ich laufe weiter. Ich will ja nicht erwischt werden.
Im Auto atme ich tief durch.
Gewonnen. Diesmal.

Falls du jetzt Lust bekommen hast, diese Übung selbst zu versuchen, dann verlinke mich oder lass mir einen Kommentar da, damit ich deinen Beitrag finde.
Caro