Meine Vorstellung

Ich habe mich tatsächlich mal wieder für eine Schreibwerkstatt bei der VHS angemeldet. Das letzte Mal ist ewig her. Corona hat da ja ganz viel durcheinander gewirbelt. Früher – und es fühlt sich sehr merkwürdig an, das so zu schreiben, als wäre das Jahrzehnte her, als wäre ich alt und könnte nicht mehr – jedenfalls, früher und vor der ganzen Virenlast bin ich gern und mindestens ein bis zwei Mal im Jahr zu einem Seminar oder einer Schreibwerkstatt gegangen, weil ich den Austausch mag, weil mir die Impulse und Schreibaufgaben immer so einen Motivations-Schub verpassen, weil es einfach Spaß macht.

Fun Fakt: Ich saß in Rottweil, in einem Schreibkus von Marin von Arndt und als Eisbrecher-Aufwärmübung fragte er uns, wie es wohl wäre einen Drachen als Haustier zu haben. Das war die Geburtsstunde von Norwin. Da habe ich den ersten Text mit ihm und über ihn geschrieben und nun… ja, nun erscheint am Montag Band 4 meiner Reihe „Das Drachenvolk von Leotrim“. Aber darum soll es heute gar nicht gehen. Schreibkurse und Seminare sind toll. Ich war bei einigen, da musste man einen Text mitbringen, vorlesen und dann wurde darüber ausführlich diskutiert. Bei anderen Gelegenheiten schrieben wir TeilnehmerInnen fleißig vor Ort. Für sich, aber auch für die Gruppe. Vorlesen kann man, muss man nicht. Alle diese Begegnungen haben eine Sache gemeinsam: Die Vorstellungsrunde am Anfang. Wer bin ich, was mache ich hier, was erwarte ich heute?

Für gewöhnlich ist mir dieses erste Vorstellen unangenehm, ich stottere herum, mein Profilierungskomplex ist nicht ausgeprägt genug, was soll ich denn sagen?

Gestern Abend hatte Lena Grimm die Idee uns gleich mal eine Übung mit großem Effekt vorzulegen. Wir sollten einen Gegenstand wählen, etwas, das uns wichtig ist, das uns täglich im Alltag begegnet und dieser Gegenstand erzählt dann von mir: Ein Text in der 3. Person, das schafft sofort Distanz auf das eigene Ich, das macht den Blick frei für ganz andere Dinge. Über mich sprechen ist kompliziert, wie schon erwähnt. Die Übung hat mir ausserordentlich viel Spaß gemacht, den anderen TeilnehmerInnen auch, und die Vorstellungen, die dabei heraus kamen waren wirklich persönlich, da war sofort Charakter zu sehen, das hatte Inhalt. Eine Frau wählte ihre Brille, eine andere ihr Smartphone undsoweiter. Ich habe meinen Füller genommen und hier ist mein Text. (Gerne zur Nachahmung empfohlen!)

© cmh_Märchen für alle

Ich bin der Füller von Carolin Hafen. Sie hat mich schon seit 20 Jahren dabei, im täglichen Gebrauch. Ich war ein Geschenk von ihrer ersten großen Liebe. Er hat sogar ihren Namen in meinen Bauch gravieren lassen. Caro mag praktische Geschenke. Blumen, zum Beispiel, sind doof. Die sind bei der Übergabe ja schon quasi tot. Die Liebe hat nicht gehalten, aber ich bin noch da. Wir Zwei schreiben täglich Tagebuchgedanken auf, wobei Caro sich einbildet ihre Handschrift sei häßlich und unleserlich. Ich soll das, BitteDanke richten. Caro ist eigen mit Stiften und Papier. Wenn sich die Struktur nicht richtig anfühlt oder ein Kuli bockig ist in seiner Benutzung, dann wirft sie den Kollegen auch gern mal genervt durchs Zimmer. Sie trifft selten den Mülleimer auf Anhieb. Ich musste noch nie so fliegen. Nicht quer durchs Zimmer, aber gern mal über das Papier. Weil, wenn Caro einen Einfall hat, dann muss es schnell gehen. Ich husche dann hektisch die Zeilen entlang, und ja, dann wird es auch mal unleserlich. Upsi. Das kann nicht mal ich in Ordnung bringen. 

Caro findet es ganz toll neue Wörter zu entdecken. Mit ihrem Handy bzw. dem digitalen Wörterbuch schlägt sie alles gleich nach. Neulich, zum Beispiel, da las sie das Wort „gründeln“ in einem Buch. Es gibt also tatsächlich ein Wort dafür, wenn Enten ihren Kopf ins Wasser tauchen um nach Futter zu suchen. Die Enten gründelten auf dem See. Wir mussten dann kurz das Kinderlied umschreiben. 😉

Carolin erfindet auch gern Wörter, weil sie findet, davon gibt es zu wenig. Wir lesen gerade Max Goldt und wie war es bitte möglich 40 Jahre alt zu werden ohne diesen Ausdruck: „Resttröpfchengetränkte Klofußumpuschelung“ Das ist doch ein Fest! Jedenfalls. 

Wir schreiben viel, wir lesen viel und beim Lesen werden Passagen unterstrichen, da bin ich dann auch dabei. Caro ist so ein Barbar, die schreibt auch in Bücher rein. Nichts ist vor ihr sicher. Interessanterweise denkt sie, sie würde zu wenig machen, müsste mehr Output produzieren. Ich sehe das nicht so, wenn mir die Federspitze glüht vor lauter Tatendrang. Ich finde Pausen gut. 

Wir beide sind uns einig: Texte sollten Menschen verbinden. Texte sollten immer von Einsamkeit erzählen und trösten. Wir beide finden es nämlich sehr toll, wenn eine Person zur anderen sagt: „Hast du DAS schon gelesen? Nein? Dann musst du das sofort anfangen, ich warte hier.“

Wir denken da an Mariana Leky, an „Kummer aller Art“ und an innere Zerzaustheit. Das waren tolle, kurze Texte, ganz nah am Menschen dran. Mit Liebe und Verständnis, das war lustig, das war tröstlich. Eine gute Mischung. Sowas würden wir auch gerne schreiben. 

Ich schreibe ja am liebsten „Ende“ unter einen Text. Caro mag Anfänge. Da wohnt angeblich ein Zauber drinne. 

Ja und jetzt muss ich meine Hausaufgaben machen. Für nächste Woche. Ui. 

Schreiben dicht am Leben

Rezension:

Ich konnte inzwischen das dazugehörige Notizbuch – gebraucht – kaufen und habe somit die Reihe voll. Das bedeutet, ich kann nun all meine Schreibübungen ins Duden Blank Book hineinschreiben, alles hübsch ordentlich und am richtigen Platz. Mein innerer Monk ist sehr zufrieden. Jedenfalls.

Aus dieser Schreibratgeber-Reihe gefällt mir „Schreiben dicht am Leben“ bisher am besten, das spricht mich am meisten an. 19 verschiedene Übungen laden zum Schreiben ein und dieses Mal gefallen mir durchweg auch alle Impulse. Das ist nicht oft so. Üblicherweise picke ich mir ein paar Aufgaben heraus und lasse alles andere links liegen. Jede Übung greift einen Aspekt auf, wie man die Welt betrachten und in Worte fassen könnte. Das geht über den üblichen Tipp „Setze dich in die Fußgängerzone und beobachte Leute“ hinaus. Diese Schreibanregung ist ja nicht neu und findet sich in vielen Ratgebern.

Wie schon in den anderen Büchern der Reihe sind alle Schreibanregungen mit Text-Beispielen untermalt, meine Wunschliste ist schon wieder um 4 weitere Bücher angewachsen, weil mir die Beispiele so gut gefallen haben. Ich habe gestaunt und gedacht: „Was man alles machen kann. Toll.“ Wenn ich also mit meinem Notizbuch in der Fußgängerzone sitze, kann ich alles ganz minimalistisch einfangen, Dialoge mithören, überspitzt darstellen oder ganz anders, den Blick nach innen richten: „Wie geht es mir hier eigentlich?“

Es hindert mich ja keiner daran, mir ein paar Anregungen auszuwählen und miteinander zu vermischen. Ich finde es aber gut, dass hier im Buch die Übungen getrennt voneinander dargestellt sind mit dem Augenmerk auf einer einzige Sache. Ich würde es als „Sehen lernen“ zusammen fassen. Es geht ums beobachten, erfassen und komprimieren: Das Gesehene/Gefühlte in Worte zu fassen. Und da gibt es wirklich sehr viele Möglichkeiten. Ich habe herzlich gerne alles ausprobiert und damit gespielt und auch noch ein paar neue Dinge für mich mitgenommen. Dieser Ratgeber ist, meiner Meinung nach fürs kreative Schreiben, also für SchriftstellerInnen geeignet, Anfänger wie Fortgeschrittene, aber genauso fürs Tagebuchschreiben, für den ganz persönlichen, eigenen Gebrauch. Eine Universalanleitung, quasi.

  • Schreiben dicht am Leben ★★★★★
  • DUDEN – Kreatives Schreiben
  • Hanns-Josef Ortheil

tbt – Im Aufzug

#ThrowbackThursday

Carolin Header

Kurzgeschichte/Schreibübung

Richard vermied es Aufzug zu fahren. Wenn er nicht gerade in den 26. Stock eines Gebäudes musste, nahm er die Treppe. Heute musste er Aufzug fahren, es gab keine Treppe. Jedenfalls keine öffentliche, für Touristen. Die Werbung pries an, dass der Aufzug sie in 30 Sekunden in schwindelnde Höhen befördern würde, und da Marie ihn um dieses Date gebeten hatte, bestimmte auch sie wo es hingehen sollte: Romantisches Essen auf dem Fernsehturm, in einem Restaurant, das sich einmal um sich selbst drehte pro Stunde. Ihm war jetzt schon schlecht. Kneifen ging nicht. Er mochte sie, und würde, als Feigling, nie zu einem zweiten Date kommen.

Die Türen schlossen sich. Die matt-versilberten Wände und Türen wirkten auf Richard wie ein Spiegelkabinett-Gefängnis. Sein Vater hatte ihn als Kind auf einen Jahrmarkt mitgenommen und ihn durch das Spiegellabyrinth geschleift.

„Guck mal hier – und hier – und dort!“, hatte sein Vater gerufen und ihre verzerrten Spiegelbilder bewundert. Sie waren groß und klein, dick und dünn, alles urkomisch.

Im selben Jahr war sein Vater verschwunden.

Richard stand im Aufzug, neben ihm plapperte Marie etwas von der tollen Aussicht, ganz oben, und Richard hörte die Kettenkarussell-Melodie dudeln, roch verbranntes Popcorn und Zuckerwatte. Er fühlte die schweißnasse Hand des Vaters in seiner, dabei steckten seine Hände im hier und jetzt in seinen Hosentaschen. Sein Rücken war verspannt, als würde er einen Schlag in den Nacken erwarten. Die Augen hatte er fest geschlossen.

Marie berührte seinen Arm. „Alles ok?“, fragte sie leise. Sie hatte aufgehört zu plappern.

„Jaja“, presste er hervor. Da hielt der Aufzug, ruckelte sie beide durch, einem Erdbeben nicht unähnlich. Richard hatte mal eins erlebt, im Süden, im Urlaub.

Die Türen blieben geschlossen. Er öffnete seine Augen, starrte sich selbst ins Gesicht, und griff mit der linken Hand nach Marie, fest, als befürchtete er, sie würde sich augenblicklich in Luft auflösen.

„Du magst keine Aufzüge“, stellte sie nüchtern fest. Sie drückte den Tür-öffnen-Knopf.

Nichts passierte. Sie drückte auf die Klingel, gleich daneben.

„Weißt du, das ist völlig unnötig sich hier Sorgen zu machen.“ Sie fand ihn süß, wie er da so angstvoll stand. So fühlen sich wohl Männer, wenn ein vermeintlich hilfloses Ding ihren Beschützerinstinkt weckt. Interessant, dachte sie und drückte die Klingel erneut.

„Aufzüge können gar nicht abstürzen, falls dir das Sorgen macht.“

Machte es nicht. Sein Alptraum bestand aus Spiegeln und Irrwegen und nie-mehr-heraus-finden. Verloren gehen. Dennoch nickte er. „M-hm.“

„Wir warten einfach, bis uns jemand findet“, sagte sie. Richard brach der Schweiß aus, er schloss die Augen und hielt die Luft an. Ich geh´ hier drin verloren, dachte er, verhungere, verdurste, sterbe, ungesehen. Wir stinken vor uns hin. Touristen und Angestellte benutzen die inoffizielle Treppe und sie beide hier drinnen werden vergessen. Die anderen Menschen vergessen, dass der Aufzug überhaupt existiert; dieses Paralleluniversum, aus dem sie nicht mehr entkommen können.

Marie drückte die Klingel, unaufgeregt und routiniert. Sie machte sich überhaupt keine Sorgen, so als wäre ihr das schon tausend mal passiert.

„Moment“, knisterte eine Männerstimme aus der Gegensprechanlage, „die Tür klemmt. Wir holen Sie da gleich heraus.“

Marie grinste. Siehste!, sagte ihr Blick.

Richard sah es nicht. Sein Gesicht war eine schmerzverzerrte Grimasse. Marie stellte sich direkt vor ihn, ohne seine Hand los zu lassen, ihre Gesichter waren nah beieinander. Wäre das ein romantischer Augenblick, sie würden den typischen Nasentanz vor dem ersten Kuss aufführen. Es war nicht romantisch.

„Du magst Aufzüge wirklich nicht.“

Richard schüttelte fast unmerklich den Kopf.

„Sie mich an“, flüsterte sie. Er öffnete die Augen, und statt sich selbst sah er ihr Gesicht, wie eine Rettungsboje auf offenem Meer.

„Alles ok“, sagte sie. Keine Frage, eine Feststellung.

„Ok“, sagte er. Der Aufzug ruckelte, einem Erdbeben nicht unähnlich, und die Türen öffneten sich wie die Tore einer Schleuse. Sie hatten den Höhenunterschied gemeistert.

„Alles klar – Guten Appetit“, wünschte die knisternde Männerstimme.

tbt – Einen dunklen Weg beschreiben

#tbt #throwbackthursday

Einen dunklen Weg beschreiben

Schreibübung. Text von Carolin M. Hafen

Es ist nicht schwer bei Sonnenuntergang zum Grillplatz zu laufen. Man weiß wo was ist, freut sich auf sein Grillwürstle, die Gespräche und sogar auf die albernen Lieder, die später am Lagerfeuer gesungen werden. Erst auf dem Rückweg, nachts wird mir und so manchem meiner Kollegen klar: Es ist finster und der Weg zum Parkplatz zwanzig Minuten weit.

Beim Hinweg ist jedem klar, rechts ist der Wald als große bunte Masse, und links der Rand. Der Randweg, an der Klippe entlang ist durch ein Holzgeländer gesichert, hin und wieder läd eine Holzbank zum Verweilen ein – mit atemberaubendem Ausblick auf unser Städtle. Da und dort wartet ein abgesägter Baumstumpf, in Form eines Stuhls mit Lehne und Plumpsklo-Herzle in der Mitte auf einen müden Wandrer.

Beim Hinweg betrachtet man die Sonne, wie sie ganz kitschig den Horizont küsst und abtaucht für die Nacht. Man sagt, „Oh wie schön, diese Farben“ und hat gar keinen Sinn für die Steine unter den Schuhen, für die Furchen im Weg, ausgespült – auch ganz kitschig – von tausend Himmelstränen die zurück wollen in den Grund. Ach ist das alles idyllisch hier. Man sieht ja alles, jede Stolperfalle, jede Wurzel, die trockenen Blätter, die man durch die Luft kicken kann, als wäre man Ronaldo im Herbstteam. Es ist aber noch gar nicht Herbst, die Blätter rascheln lange nicht so schön wie im Oktober, also lässt man es, und freut sich über den August– der Herbst ist noch weit weg.

Beim Hinweg ist alles schön. Für den Rückweg spart man keine Kraft auf. Wozu? Gesättigt und guter Dinge verlässt man den warmglühenden Schein des Lagerfeuers und stellt fest: Taschenlampe vergessen. Das Feuer wärmt nicht mehr, der Mond hat sich hinter einer Wolke versteckt und grinst hämisch. „Find´ du nur den Weg zurück – ohne mich, Menschlein.“

Die Lichter der Stadt, die Straßenlaternen, die Wohnzimmerlichter, die Autos leuchten so sehr sie können, doch nicht genug, den Berg herauf. Der Kalkstein am Randweg hält alles auf. „Nicht bis hier, kleiner Freund. Neinnein.“ Die Stadt lebt weiter, weit weg, getrennt vom Wald, von diesem Oben, getrennt von der Dunkelheit der Nacht, als stünde eine Glaskuppel wachend über ihr.

Da ist eine Wand aus gelbem Stein, und ich balanciere am obersten Rand, die Dunkelheit zu meiner Linken, wie ein atmendes Monster. Ich spüre den Wald als ein lebendiges Wesen. Die Bäume machen das Dunkel noch dunkler, der Wind in den Wipfeln rauscht wie das Meer, aber nicht beruhigend – ich meine, eine Welle könnte mich über den Rand spülen. Die Furchen im Weg erschweren meinen Heimweg, ich stolpere mehr als ich gehe, fange mich selbst, greife nach dem taunassen Geländer, kalt und spröde ist es unter meinen Fingern. Es hält mich.

Die Kiesel knirschen, springen unter meiner Sohle weg wie ängstliche Hasen. Ich will ihnen gerne folgen. Die Blätter knistern und rascheln wie ein Feuer und laden nicht mehr zum Kicken ein, wer weiß was sich darunter verbirgt? Sie bedecken die Welt, es ist nicht meine, heute Nacht.

Es kommt mir vor als hätte die Nacht Augen, aber nicht der Mann im Mond sieht mir zu wie ich zu meinem Auto eile. Mein Atem ist das einzige Geräusch das ich höre, und mein Herzschlag in meinem Ohr. Vielleicht ist es auch der Puls derer, vor denen ich flüchte? Ich glaube an Bären und Wölfe und Geister der Nacht. Gerne möchte ich mit Gebrüll ins Dunkel laufen – weg vom Rand – und sie fangen, gerne wäre ich dran bei diesem Spiel. Aber es ist nicht meins, heute Nacht. Ich laufe weiter. Ich will ja nicht erwischt werden.

Im Auto atme ich tief durch.

Gewonnen. Diesmal.

Falls du jetzt Lust bekommen hast, diese Übung selbst zu versuchen, dann verlinke mich oder lass mir einen Kommentar da, damit ich deinen Beitrag finde.

Caro

tbt – Kino

Einer der Kinosäle war braun. Wände und Sessel, selbst die Lampen an den Wänden gaben schummrig-braunes Licht ab. Der andere Saal, der kleinere, war rot. Die Sessel im roten Saal waren größer, man hatte richtige Beinfreiheit, es war fast gemütlich dort, wenn man statt den Film zu sehen, rum knutschen wollte. Meine Brüder behaupteten, der rote Saal wäre Abends das Porno-Kino. Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, dass es in unserem Kaff Menschen geben sollte, die Abends ins Kino gingen um sich einen Sexfilm anzusehen. Gemeinsam. Wie seltsam.

Meine Eltern gingen selten ins Kino. Meine Mutter mochte Schnulzen und mein Vater schnarchte laut, sobald er eingeschlafen war, so blieben sie zuhause. Meine Mutter sah fern, der Vater schlief auf dem Sofa, sie stellte den Ton lauter. So ging das schon.

Mein Vater gab mir Sonntags immer ein Fünf-Mark-Stück. Das war ein großes Stück Geld, schwer in der Hand. Mit zwei davon konnte man auf dem Rummel noch viel erleben, mit einem, am Sonntagmittag einen Film schauen.  Er legte mir dieses Stück Freiheit immer feierlich auf den Handteller, genau in die Mitte, zwinkerte mir zu und sagte: Viel Spaß.

Ich brauchte kein Popcorn, keine Fanta, kein Eis. Nur mein Fahrrad und fünf Mark. Und dann klackte ich der alten Frau hinter der Scheibe mein Geld auf den Tisch. Sie kannte mich, ich sah sie nie lächeln.

Die alten Schaukästen gibt es noch, in denen die Filmposter angepinnt waren. Den Schriftzug über den Schautafeln gibt es auch noch, Rex und Roxy, aber sie leuchten schon viele Jahre nicht mehr, wenn es Dunkel wird. Ich habe gesehen, wie die Besitzer die Bespannung von den Wänden gerissen und die alten Kinosessel zum Sperrmüll an die Straße gestellt haben. Die beiden Räume sind nun Lagerhallen, ganz gewöhnlich. Ich traute mich nicht, einen der Sessel zu nehmen – was hätte ich auch anfangen sollen, mit einem alten rot-abgewetzen Porno-Sessel, der seine besten Tage schon hinter sich hatte, als ich noch ein Kind war.

Ich wünschte, ich hätte ein einziges Fünf-Mark-Stück behalten, nur wegen dem Geräusch, dass es auf einer Tischplatte macht.

TBT – Auf dem Dachboden

#ThrowbackThursday

Kurzgeschichte von Carolin M. Hafen

Auf dem Dachboden

Ich war noch Mal auf dem Dachboden. Abschied nehmen. Wenn ich meinen Freundinnen erzähle, „Ich war auf dem Dachboden“, dann meinen sie immer, ich sei in einem staubflirrenden Albtraum, in dem man nicht aufrecht stehen kann und sich jeden Meter an einer Kiste anstößt. Ich habe ein Talent dafür mich überall zu stoßen, den Zeh am Bettpfosten, die Wade am Couchtisch, den Ellenbogen am Türgriff, den Kopf an Dachschrägen. Sehr gerne klemme ich mir den Finger ein, zwischen Tischplatte und Armlehne meines Schreibtischstuhls. Nicht so auf diesem Dachboden. Meine Oma hat hier gewohnt. Obwohl sie eine komplett eingerichtete Wohnung hier oben hatte, als sie noch lebte, sagte bis zum Schluss „mein kleiner Dachboden“, als würde sich in dem Ausdruck ein magischer Schatz verbergen. Meine Oma glaubte an Magie – sie war auch sonst nicht wie andere Omas. Zumindest nicht wie die Omas meiner Freundinnen.

Sie hatte schlohweißes schulterlanges Haar. Weil ihr das aber zu langweilig war und sie keine von den lila gefärbten Dinosauriern sein wollte, ging sie alle 6 Wochen zum Frisör und ließ sich exakt eine Strähne grün färben. Grün war nämlich ihre Lieblingsfarbe. Weil sie die Farbe Grün so gerne mochte, hatte sie auch kein normales Haustier. Keine Katze, keinen Hund, keinen Wellensittich, keinen Hamster.

Sie hatte eine Landschildkröte namens Berti. Berti war sehr klein, musikalisch und verschmust. Vermutet man jetzt nicht unbedingt, wenn man ihn so sieht. Wenn meine Oma das Radio einschaltete, wurde Berti plötzlich hektisch. Er stemmte seine vier „Stampferfüßle“ gegen den Boden, hob seinen Panzer an und watschelte los. Aufs Radio zu. Das Radio stand im Wohnzimmer auf dem Boden und Berti durfte sich in der Wohnung meiner Oma frei bewegen. Meine Oma hatte keinen Garten und sie wollte nicht, das Berti dick wurde, wenn er nur in seinem Terrarium herum marschierte.

„Wir lassen ihn ein bisschen rennen“, sagte meine Oma zu mir, wenn ich sie besuchen kam. Dann musste ich das Schild „Berti hat frei“ an die Türklinke zum Wohnzimmer hängen, damit auch kein Besuch unachtsam war und versehentlich auf ihn trat.

Es war nicht ungewöhnlich, dass meine Oma aus heiterem Himmel schrie: „Vorsicht, Berti kommt!“

Das Radio stand nämlich deshalb auf dem Boden, damit Berti – wenn ihm die Musik nicht zusagte, mit dem Kopf gegen den Sendersuchlaufknopf stupsen konnte. Meine Oma war der festen Überzeugung, er würde das ganz bewusst machen und er hätte einen sehr ausgewählten Geschmack was Klassik anging. Ich fand, dass meine Oma spinnt, weil Berti auch gern gegen Wände und Möbel lief, und wild mit dem Kopf anstupste, was ihm gerade im Weg war.

Meine Oma hatte eine Schuhschachtel mit Knöpfen darin. Sie liebte diese Knöpfe und verbrachte Stunden damit sie in den Fingern hin und her gleiten zu lassen. Sie hatte auch einige Zaubertricks drauf und holte noch Knöpfe aus meinem Ohr, als ich schon weit über zwanzig war. Ich tat überrascht und sie freute sich. Irgendwann machten die Hände nicht mehr mit. Von da an übernahm Berti das Knöpfe-spielen. Er schob sie mit dem Kopf über den Teppichboden und Oma tat überrascht, wenn sie einen zu ihren Füßen fand, während sie fern sah, und das musste an Zauberei genügen.

Meine Oma ist gestorben. Berti lebt nun bei mir.

Ich war bei einem Antiquitätenhändler – eigentlich um ein paar Dinge zu verkaufen. Ich habe die Schachtel mit den Knöpfen und das alte Radio behalten. Die anderen Möbel, ihre Kleider, viele Bücher, Geschirr und Dinge, die sie selbst nie haben wollte, habe ich weg gegeben oder verkauft. In diesem winzigen, vollgestopften Laden fand ich in einer Kiste mit Knöpfen einen sehr großen – Der Verkäufer versicherte mir, dass es kein Schildplatt sei, sondern Plastik. Er ist leuchtend weiß, mit einem grünen Farbklecks in der Mitte. Der Knopf stammt von einem Clownskostüm und ist im Durchmesser größer als Berti. Ich habe ihm den Knopf geschenkt. Er liegt da drauf, wenn wir gemeinsam Radio hören. Als Erinnerung muss das reichen.

#tbt – Ihr jungen Leute

Annette weiß alles besser. Alles, was sie von mir weiß, hat sie sich in wenigen Sekunden zusammen gereimt. Ich bin jung, das ist offensichtlich, auch ohne Brille und sie hat immer Recht. Grundsätzlich.
Jeden Satz beginnt Annette mit den Worten: Ihr jungen Leute… Als würden wir jungen Leute einer anderen Rasse angehören. Ihrem Tonfall nach der Rasse der kinderfressenenden Religionsfanatiker.
Sie weiß, dass ich schreibe, das hat ihr Heiderose am Telefon gesagt. Ich dachte eigentlich, der Umstand, dass ich sie vom Zug abhole, und zu unserem Schreibzirkel fahre, macht die Sache klar. Manche Dinge muss man halt auch aussprechen. Nun sitzt Annette bei mir im Auto. Mit ihr, die universelle Wahrheit.

Ich konnte nicht nein sagen. Heiderose hat kein Auto, die anderen Damen nicht mal einen Führerschein, also fahre ich. Ehrenamtlich. So sieht die Betreuung einer Senioren-Schreibgruppe eben aus.

Es dauerte 30 Sekunden bis ich von Annette genervt war. So lange dauerte es, bis wir endlich los laufen konnten, vom Bahnsteig zum Parkplatz, zu meinem Auto. Sieben ihr jungen Leute hörte ich mir bis dahin an. Der Zug war noch nicht mal angefahren. Da wollte ich sie schon wieder rein setzen und ans Ende der Welt schicken. Orient Express auf Nimmerwiedersehen. Stattdessen beiße ich mir im Geiste in den Arsch für mein Gutmenschentum und nehme mir vor in Zukunft ein Nein-Monster zu sein.

Annette wälzt sich in mein Auto. Es hat Schlagseite, das arme Ding, es leidet mehr als ich.
„Du schreibst also“, sagt sie zu mir, als wir los fahren. Sie hält sich am Griff über dem Seitenfenster fest, sie schwabbelt dennoch in den Kurven bedenklich hin und her. Mit der anderen Hand hält sie ihre monströse Handtasche fest, der Gehstock klemmt zwischen ihr und der Tür. Sie starrt mich von der Seite an.
Hmhm.

Annette fragt nicht, ob ich schon was veröffentlicht habe, oder was ich überhaupt schreibe, könnten ja auch Sachbücher sein.
„…da musst mal was an den Reich-Raschinski schicken.“
Sie meint wohl Reich-Ranicki, aber ich lasse den Klugscheißer mal stecken.
„Ein feiner Mann ist das. Weißt du, warum ich den mag? Der schreibt so kurze Sätze. Hast du MEIN LEBEN von ihm gelesen? So ein gutes Buch. Hast du es gelesen? Lest ihr jungen Leute eigentlich? Lies das Buch!“

Hmhm.
„Weißt du, eine Frau hat dem mal ein Buch geschickt, von sich, der Herr Reich-Raschinski mag sowas! Und dann hat er sie gelobt und sie kam ganz groß raus.“

Hmhm.
„Musst du auch mal probieren.“ Annette plappert weiter.
„Oh ja, prima Idee. Danke für den Tipp.“ Sie ist unempfänglich für Sarkasmus und ich ärgere mich, dass ich mich in dieser Gegend nicht besser auskenne. Was gäbe ich jetzt für einen einsamen Waldweg. Ich liefere Anette brav am Gemeindehaus ab. Die Kursleiterin nimmt uns in Empfang.

Das wird ein langer Tag.

Im Aufzug (Schreibübung)

Wie angekündigt, mehr Texte aus dem Schreibtreff. „Im Aufzug“ lautete das Thema, und das habe ich draus gemacht;

Richard vermied es Aufzug zu fahren. Wenn er nicht gerade in den 26. Stock eines Gebäudes musste, nahm er die Treppe. Heute musste er Aufzug fahren, es gab keine Treppe. Jedenfalls keine öffentliche, für Touristen. Die Werbung pries an, dass der Aufzug sie in 30 Sekunden in schwindelnde Höhen befördern würde, und da Marie ihn um dieses Date gebeten hatte, bestimmte auch sie wo es hingehen sollte: Romantisches Essen auf dem Fernsehturm, in einem Restaurant, das sich einmal um sich selbst drehte pro Stunde. Ihm war jetzt schon schlecht. Kneifen ging nicht. Er mochte sie, und würde, als Feigling, nie zu einem zweiten Date kommen.

Die Türen schlossen sich. Die matt-versilberten Wände und Türen wirkten auf Richard wie ein Spiegelkabinett-Gefängnis. Sein Vater hatte ihn als Kind auf einen Jahrmarkt mitgenommen und ihn durch das Spiegellabyrinth geschleift.

„Guck mal hier – und hier – und dort!“, hatte sein Vater gerufen und ihre verzerrten Spiegelbilder bewundert. Sie waren groß und klein, dick und dünn, alles urkomisch.

Im selben Jahr war sein Vater verschwunden.

Richard stand im Aufzug, neben ihm plapperte Marie etwas von der tollen Aussicht, ganz oben, und Richard hörte die Kettenkarussell-Melodie dudeln, roch verbranntes Popcorn und Zuckerwatte. Er fühlte die schweißnasse Hand des Vaters in seiner, dabei steckten seine Hände im hier und jetzt in seinen Hosentaschen. Sein Rücken war verspannt, als würde er einen Schlag in den Nacken erwarten. Die Augen hatte er fest geschlossen.

Marie berührte seinen Arm. „Alles ok?“, fragte sie leise. Sie hatte aufgehört zu plappern.

„Jaja“, presste er hervor. Da hielt der Aufzug, ruckelte sie beide durch, einem Erdbeben nicht unähnlich. Richard hatte mal eins erlebt, im Süden, im Urlaub.

Die Türen blieben geschlossen. Er öffnete seine Augen, starrte sich selbst ins Gesicht, und griff mit der linken Hand nach Marie, fest, als befürchtete er, sie würde sich augenblicklich in Luft auflösen.

„Du magst keine Aufzüge“, stellte sie nüchtern fest. Sie drückte den Tür-öffnen-Knopf.

Nichts passierte. Sie drückte auf die Klingel, gleich daneben.

„Weißt du, das ist völlig unnötig sich hier Sorgen zu machen.“ Sie fand ihn süß, wie er da so angstvoll stand. So fühlen sich wohl Männer, wenn ein vermeintlich hilfloses Ding ihren Beschützerinstinkt weckt. Interessant, dachte sie und drückte die Klingel erneut.

„Aufzüge können gar nicht abstürzen, falls dir das Sorgen macht.“

Machte es nicht. Sein Alptraum bestand aus Spiegeln und Irrwegen und nie-mehr-heraus-finden. Verloren gehen. Dennoch nickte er. „M-hm.“

„Wir warten einfach, bis uns jemand findet“, sagte sie. Richard brach der Schweiß aus, er schloss die Augen und hielt die Luft an. Ich geh´ hier drin verloren, dachte er, verhungere, verdurste, sterbe, ungesehen. Wir stinken vor uns hin. Touristen und Angestellte benutzen die inoffizielle Treppe und sie beide hier drinnen werden vergessen. Die anderen Menschen vergessen, dass der Aufzug überhaupt existiert; dieses Paralleluniversum, aus dem sie nicht mehr entkommen können.

Marie drückte die Klingel, unaufgeregt und routiniert. Sie machte sich überhaupt keine Sorgen, so als wäre ihr das schon tausend mal passiert.

„Moment“, knisterte eine Männerstimme aus der Gegensprechanlage, „die Tür klemmt. Wir holen Sie da gleich heraus.“

Marie grinste. Siehste!, sagte ihr Blick.

Richard sah es nicht. Sein Gesicht war eine schmerzverzerrte Grimasse. Marie stellte sich direkt vor ihn, ohne seine Hand los zu lassen, ihre Gesichter waren nah beieinander. Wäre das ein romantischer Augenblick, sie würden den typischen Nasentanz vor dem ersten Kuss aufführen. Es war nicht romantisch.

„Du magst Aufzüge wirklich nicht.“

Richard schüttelte fast unmerklich den Kopf.

„Sie mich an“, flüsterte sie. Er öffnete die Augen, und statt sich selbst sah er ihr Gesicht, wie eine Rettungsboje auf offenem Meer.

„Alles ok“, sagte sie. Keine Frage, eine Feststellung.

„Ok“, sagte er. Der Aufzug ruckelte, einem Erdbeben nicht unähnlich, und die Türen öffneten sich wie die Tore einer Schleuse. Sie hatten den Höhenunterschied gemeistert.

„Alles klar – Guten Appetit“, wünschte die knisternde Männerstimme.

Schreibübung; Einen dunklen Weg beschreiben

Beim letzten Schreibtreff war unser Thema: „Einen dunklen Weg beschreiben“, und das ist dabei heraus gekommen.

Es ist nicht schwer bei Sonnenuntergang zum Grillplatz zu laufen. Man weiß wo was ist, freut sich auf sein Grillwürstle, die Gespräche und sogar auf die albernen Lieder, die später am Lagerfeuer gesungen werden. Erst auf dem Rückweg, nachts wird mir und so manchem meiner Kollegen klar: Es ist finster und der Weg zum Parkplatz zwanzig Minuten weit.

Beim Hinweg ist jedem klar, rechts ist der Wald als große bunte Masse, und links der Rand. Der Randweg, an der Klippe entlang ist durch ein Holzgeländer gesichert, hin und wieder läd eine Holzbank zum Verweilen ein – mit atemberaubendem Ausblick auf unser Städtle. Da und dort wartet ein abgesägter Baumstumpf, in Form eines Stuhls mit Lehne und Plumpsklo-Herzle in der Mitte auf einen müden Wandrer.

Beim Hinweg betrachtet man die Sonne, wie sie ganz kitschig den Horizont küsst und abtaucht für die Nacht. Man sagt, „Oh wie schön, diese Farben“ und hat gar keinen Sinn für die Steine unter den Schuhen, für die Furchen im Weg, ausgespült – auch ganz kitschig, von tausend Himmelstränen die zurück wollen in den Grund – ach ist das alles idyllisch hier. Man sieht ja alles, jede Stolperfalle, jede Wurzel, die trockenen Blätter, die man durch die Luft kicken kann, als wäre man Ronaldo im Herbstteam. Es ist aber noch gar nicht Herbst, die Blätter rascheln lange nicht so schön wie im Oktober, also lässt man es, und freut sich über den August– der Herbst ist noch weit weg.

Beim Hinweg ist alles schön. Für den Rückweg spart man keine Kraft. Wozu? Gesättigt und guter Dinge verlässt man den warmglühenden Schein des Lagerfeuers und stellt fest: Taschenlampe vergessen. Das Feuer wärmt nicht mehr, der Mond hat sich hinter einer Wolke versteckt und grinst hämisch. „Find´ du nur den Weg zurück – ohne mich, Menschlein.“

Die Lichter der Stadt, die Straßenlaternen, die Wohnzimmerlichter, die Autos leuchten so sehr sie können, doch nicht genug, den Berg herauf. Der Kalkstein am Randweg hält alles auf. „Nicht bis hier, kleiner Freund. Neinnein.“ Die Stadt lebt weiter, weit weg, getrennt vom Wald, von diesem Oben, getrennt von der Dunkelheit der Nacht, als Stünde eine Glaskuppel wachend über ihr.

Da ist eine Wand aus gelbem Stein, und ich balanciere am obersten Rand, die Dunkelheit zu meiner Linken, wie ein atmendes Monster. Ich spüre den Wald als ein lebendiges Wesen. Die Bäume machen das Dunkel noch dunkler, der Wind in den Wipfeln rauscht wie das Meer, aber nicht beruhigend – ich meine, eine Welle könnte mich über den Rand spülen. Die Furchen im Weg erschweren meinen Heimweg, ich stolpere mehr als ich gehe, fange mich selbst, greife nach dem taunassen Geländer, kalt und spröde ist es unter meinen Fingern. Es hält mich.

Die Kiesel knirschen, springen unter meiner Sohle weg wie ängstliche Hasen. Ich will ihnen gerne folgen. Die Blätter knistern und rascheln wie ein Feuer und laden nicht mehr zum Kicken ein, wer weiß was sich darunter verbirgt? Sie bedecken die Welt, es ist nicht meine, heute Nacht.

Es kommt mir vor als hätte die Nacht Augen, aber nicht der Mann im Mond sieht mir zu wie ich zu meinem Auto eile. Mein Atem ist das einzige Geräusch das ich höre, und mein Herzschlag in meinem Ohr. Vielleicht ist es auch der Puls derer, vor denen ich flüchte? Ich glaube an Bären und Wölfe und Geister der Nacht. Gerne möchte ich mit Gebrüll ins Dunkel laufen – weg vom Rand – und sie fangen, gerne wäre ich dran bei diesem Spiel. Aber es ist nicht meins, heute Nacht. Ich laufe weiter. Ich will ja nicht erwischt werden.

Im Auto atme ich tief durch.

Gewonnen. Diesmal.

Schreibtreff im Juni

BrOYHXzCcAAYfIlAm Samstag habe ich mich wieder mit meinen Damen getroffen um kreativ zu sein. Da jeder von uns in einer Projektarbeit steckt, gab es keine Hausaufgaben zu besprechen. Einzig ein Text lag vor, den ich her nahm, um ein klassisches Lektorat zu demonstrieren. Ich mache das hin und wieder, entweder ich lektoriere Texte von Kollegen oder Mitgliedern des BvjA – dabei lerne ich selbst noch am meisten. Oder ich sehe diese Arbeit aus der direkteren Perspektive; an meinen eigenen Texten.

Dabei entstand dann eine hitzige Diskussion, ob Textarbeit die Kreativität tötet. Wir waren an einem Ausdruck, – ich war der Meinung das hier beschriebene Bild müsse genauer sein, unmittelbar – die gegenteilige Meinung war, der Leser solle ja selber auch noch was leisten.

Das Textarbeit keinen Spaß macht steht nicht zur Debatte. Da waren sich alle einig. Allerdings denke ich, dass die kreative Arbeit und die Textarbeit zwei verschiedene Arbeitsschritte sind, und beide nötig. Was hat man von einer schönen Idee, wenn der Text schlampig geschrieben ist, voller Rechtschreibfehler und schwammiger Ausdrucksweise? Ich glaube, ich konnte meinen Damen nicht begreiflich machen, wie nötig die Arbeit am Text ist, noch, dass sie die Kreativität keinesfalls mindert. Immer wieder wurde ich aufgefordert es besser zu erklären, zu sagen was ich meine. Ich will es also an einem Beispiel versuchen.

 

Vor dem Lektorat:

Es gab ein lautes Platsch, als der Hund ins Wasser fiel.

 

Mein Verbesserungsvorschlag:

Der Hund platschte ins Wasser. 

 

Inhaltlich ist es noch dieselbe Geschichte, aber der Ausdruck, was passiert, unmittelbar, direkt im Geschehen. Ich behaupte, die zweite Variante ist hier die bessere. Insgesamt war es eine interessante, angeregte Diskussion, so wie es sich für einen Schreibtreff gehört. Ich werde aber an dem Thema dran bleiben, und hoffe, dass ich den Damen die Textarbeit noch schmackhaft machen kann, ohne dass sie ihre Ideen, oder den Arbeitsflow einbüßen müssen.

 

Wir kümmerten uns diesmal gleich um zwei Schreibaufgaben, wir waren sehr fleißig.

1. Beschreibe eine denkwürdige Taxifahrt

2. Beschreibe ein bedrohliches Haus

 

Wer sich eine oder beide Schreibaufgaben schnappen und ausprobieren will, ist herzlich eingeladen sich daran zu versuchen. Ich habe meine Taxifahrt in Briefform verfasst, ein Mann (Jürgen) schreibt einem guten Freund (Walter), was passiert ist – als Experiment versuchte ich, die Geschichte ohne den Buchstaben W zu schreiben, weil das W an der Schreibmaschine meines Protagonisten Walter kaputt ist.

Ich muss jetzt noch in mich gehen, und mit Schwester Innerlich diskutieren, ob ich meine Ergebnisse gut genug finde, um sie hier einzustellen. 🙂

 

~Caro