Autorenwahnsinn – Tag 23

Tag 23: Zeig uns etwas, das dich inspiriert, egal ob Bild, Buch, Film oder Musik!

Leuchtturm Banner.jpg

In·s·pi·ra·ti·o̱n

Substantiv [die]gehoben

1 – ein kreativer Einfall; eine Idee, die eine geistige Tätigkeit fördert.

„künstlerische/musikalische/poetische Inspiration“

Es fällt mir schwer, diese Frage zu beantworten. Ich weiß es nämlich nicht genau. Sie überfällt mich, die Inspiration, sie kommt aus einem dunklen Eck gesprungen, packt mich am Kragen und schleift mich zum Schreibtisch. Und dann gibt sie erst Ruhe, wenn ich aufgeschrieben habe, was sie zu sagen hatte. Das ist nicht immer logisch, sehr selten passiert das bewußt. Könnte ich sie kontrollieren, ergründen, steuern, ich würde wohl kein Wort zu Papier bekommen, weil dann die Frage im Raum stünde: Wozu das alles? Wenn alles klar ist, warum darüber schreiben? Das bedeutet, mit dem Schreiben entlarve ich mich selbst. Das klingt erst mal, nach etwas schlechtem… ich höre mir oft den Vorwurf an: Das ist doch Privat. Muss das in die Öffentlichkeit gezerrt werden?

Aber der Reihe nach. Ent-Larve.

Lạr·ve

Substantiv [die]

1 1.
BIOLOGIE
eine Art Wurm, aus dem später ein Schmetterling, eine Fliege o. Ä. wird.“die Larven der Schmetterlinge“

2 2.
gehoben
eine Maske, die vor dem Gesicht getragen wird.“sein Gesicht hinter einer Larve verbergen“

Entlarven bedeutet für mich, mich zu entwickeln und meine Maske abzulegen. Nein, das muss nicht alles in die Öffentlichkeit. Dafür habe ich ein Tagebuch, um mich mit mir und meiner Welt auseinander zu setzen. Aber die Wörter müssen raus, die Geschichten, die sich aus den Wörtern ergeben. Sie verpuppen sich, machen eine Metamorphose durch und im besten Fall lasse ich sie dann frei, lasse sie fliegen. Olivia Wartha hat das so schön ausgedrückt: Rastlos

schreiben

weil man nicht fliegen kann

schreiben 

und dabei den Wind in den flügeln spüren

Dieses entlaven bedeutet also auch, mir näher zu sein. Und in Momenten, in denen ich mich aus den Augen verloren habe: Wiederfinden. Daran ist also nichts schlechtes. Nun bin ich kein Wurm, Flügel habe ich auch nicht, nur Wörter. Ich war noch sehr jung, als ich zum ersten Mal einen Leuchtturm gesehen habe. Damals stand ich auf festem Fels. Natürlich sind Felsen fest, aber ich nahm es zum ersten Mal richtig wahr:

Da wackelt nichts. Hier ist es sicher.

Was Sicher auch immer bedeuten mag.  Ich war noch klein und leicht zu beeindrucken. Damals dachte ich: Wenn ich da oben stehen würde, ich hätte den Überblick, alles – die Welt und darüber hinaus. Ich glaube, ich fand klein sein sehr blöd. Ich wollte ein Buch mit allen Antworten, ich wollte wissend sein, die Dinge durchschauen, begreifen und: Erklären können. Wozu das alles? Ein paar Dinge haben sich geändert. Heute hätte ich gern das Buch mit allen Fragen. Leuchttürme mag ich aber immer noch, und wünsche mir den Überblick, in alle Richtungen. Die auktoriale Erzählweise kommt diesem den-Überblick-haben noch am nächsten.

Und wenn mich jemand fragt, was mein Totem-Tier ist (meine eigene Form von Naturverbundenheit), so würde ich antworten: Der Elefant. Ich weiß nicht genau, ob meine Seele ein Elefant ist, oder ob er (ja, männlich) neben mir her geht. Da ist etwas, woran ich glaube, auch wenn ich keinen Namen dafür habe. Das würde an dieser Stelle auch zu weit führen und hat nichts mit der ursprünglichen Frage nach Inspiration zu tun. Jedenfalls. Dieser Elefant war da, als ich den Leuchtturm sah. Und dann war auch plötzlich die Idee, die Inspiration oder was auch immer, mit mir an diesem Ort. Ich werde Schriftstellerin. Ich schreibe über einen Elefanten, der Leuchtturm-Wärter werden will.

Abgefahren, oder? Dachte ich auch. Die Geschichte befindet sich seither in der Metamorphose. Wie viele andere auch, die über die Jahre dazu gekommen sind. Wenn die alle „reif“ werden, dann ist was los. Hui.

Inspiration ist etwas seltsames. Schreiben im Sinne von ent-larven ebenso. Ich liebe den Moment, wenn da etwas aufplatzt und zum Vorschein kommt. Ich finde nicht alles schön, aber das ist nicht der Punkt. Es muss auch nicht alles schön sein. Das ist, glaube ich, das Besondere an Kunst. Es muss nichts. Sie muss weder schön noch verständlich sein. (Ich arbeite aber an beidem) Ich möchte meine Integrität als Autorin und ein gewisses Maß an Anders in all seinen Formen zulassen. So wie die Idee vom Elefanten, der Leuchtturm-Wärter werden will.

Mal sehen, was dabei heraus kommt. Ich weiß es nämlich nicht. Und das ist gut so.

Autorenwahnsinn – Tag 9

Tag 09: Welchen Autor bewunderst du? Wer inspiriert dich?

John Irving Bücher

 

Wer hier regelmäßig mitliest, und selbst wer nur sporadisch vorbei klickt, kennt die Antwort: John Irving. Er hat mich zu einer begeisterten Leserin gemacht und danach zu einer Autorin. Ich möchte nicht schon wieder die John-Irving-Hymne herunter leiern. Ich weiß, was er für mich getan hat.

Inspiration ist so ein kleines, unscheinbares Wort. Dabei ist inspiriert-sein eine sehr große Sache. Ich würde nun einen Unterschied machen, zwischen jemanden bewundern, und von jemandem inspiriert sein. Ich bewundere Herta Müller, „Atemschaukel“ ist eins der besten Bücher, dass ich je gelesen habe. Ich traue mich aber nicht an ein so schwieriges Thema, mir fehlt auch das Gespür eine Geschichte so intensiv und sprachlich umzusetzen.

Irgendjemand hat mal zu mir gesagt, deutsche Autoren wären so schwer. Ich habe den Mann fassungslos angestarrt, „Atemschaukel“ lag zu dem Zeitpunkt auf meinem Wohnzimmertisch und wartete darauf, dass ich mir die Nacht um die Ohren schlage, um es fertig zu lesen. Ich fand nichts daran schwer, das Thema – ja. Aber sprachlich? Ich flog nur so über die Seiten, habe körperlich gelitten, kaum ein Buch hat je so viel Emotion in mir ausgelöst. Ich habe ihm widersprochen, doch wir fanden keinen Konsens, er meinte etwas anderes als ich. Und umgekehrt.

Später las ich den Roman „ego shooter“ von Martin von Arndt. 140 Seiten über einen Typen, der nachts an seinem Computer Kriegsschlachten spielt. Von Anfang an ist klar, er verliert. In jeder Hinsicht. Für mich war das eine runde Sache, der Antiheld, der die Stationen seines Lebens wie einzelne Level eines Computerspiels noch mal bestreitet. Das hat mich inspiriert, da dachte ich: Sowas würde ich gerne selbst einmal schreiben. Aber an dem Punkt meiner Entwicklung als Autorin bin ich noch nicht. Die Idee zu meinem eigenen ego shooter lebt, irgendwo in meiner Kopf-Kammer und wartet. Sie ist geduldig.

Bewunderung, Inspiration. Und dann?

Das Handeln ist der entscheidende Faktor. Was mache ich damit? Mit meiner Bewunderung, mit meiner Inspiration? Vor vielen Jahren las ich „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ von John Irving. Ich verliebte mich in die Figuren, die Details, die Komplexität, die Hoffnung, die in jeder Zeile mitschwingt, egal wie schlimm es den Figuren ergeht. Damals beschloss ich: Ich werde Autorin. Ich fing tatsächlich an. Über die Jahre las ich viele Bücher. Die einen veränderten mein Leben, andere nicht. Es sind zu viele um sie alle aufzuzählen. Ich hoffe, dass ich auch in Zukunft noch viele Bücher, viele Autoren, Autorinnen entdecke, die mich in irgendeiner Form anstupsen.

C.

 

Links zum Thema John Irving

Eindrücke einer Lesung

John Irving und wie er die Welt sieht

Der Buntspecht

Ich lese viel, ich lese gern. Aber nicht uneigennützig. Ich will was davon haben, darüber hinaus. Als Beispiel; Vor einigen Jahren las ich [Werbelink] „Der Buntspecht“. Es ist schon eine Weile her, ich weiß nicht mehr worum es ging. Ich habe das Buch auch nicht in der Rubrik War-gut-will-ich-nochmals-lesen abgelegt, sondern unter Gelesen-Abgehakt. (Gute Bücher lese ich oft mehr als ein Mal). Jedenfalls. Ich habe zwei Dinge behalten. Seither möchte ich eine Geschichte schreiben, in dem ein Buntspecht als Figur vorkommt und ich will das Geräusch von einem Knackfrosch verwenden. Warum?

Der König in der Geschichte „Der Buntspecht“ hatte eine defekte Herzklappe und die klang eben wie ein Knackfrosch. Er konnte seine Emotionen nicht verbergen weil jeder seinen Herzschlag deutlich hören konnte. Ich fand dieses Detail unglaublich stark. Natürlich gehe ich jetzt nicht her und klaue die Herzklappen-Idee, aber das Geräusch, oder vielmehr die Beschreibung der Herzklappe hat sich so sehr in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich noch heute regelmäßig daran denke und mich bei jeder neuen Geschichte frage: Kann ich einen Knackfrosch einbauen?

Bis jetzt hat sich das noch nicht ergeben. Aber ich bin geduldig. Ich bewahre Dinge wie die Erinnerung an dieses Buch in einem Einmachglas in meinem inneren Archiv auf, und wenn die Zeit gekommen ist wird sie wie Tomatensauce aus dem Glas – plopp – aufgewärmt.