Schreiben Tag für Tag

Duden: Schreiben Tag für Tag

Ich habe zuweilen das Bedürfnis, Dinge zu schreiben, die ich zum Teil nicht fassen kann, die aber gerade den Beweis für das erbringen, was in mir stärker ist als ich.

Camus

Ich war mit dem Band „Schreiben über mich selbst“ aus dieser Duden-Reihe ja sehr unzufrieden. Alles, was ich dort vermisst habe, fand ich nun endlich hier und bin wieder versöhnt. Sinngemäß lautet die Aussage dieses Buches: Erst wenn du das Werkzeug Sprache beherrschst, bist du in der Lage damit kreativ zu arbeiten. Und wo fängt man an, wenn man mit dem Schreiben loslegt? Bei sich selbst. 25 Übungen laden dazu ein, mit verschiedenen Spielarten von ganz pedantisch bis hin zu eher grob. Innenleben, Aussenleben, Listen, Chroniken. Vom sachlichen Aufzeichnen zum Ideenbuch oder der eigenen Identitätsfindung. Als jahrelange Tagebuchschreiberin war mir schon manches vertraut, aber ich habe auch viele neue Anregungen und Ideen gefunden und ausprobiert. So mag ich das, so habe ich mir das gewünscht.

Es waren so viele Tagebuch-Beispiele dabei, dass ich praktisch das halbe Buch unterstrichen habe und meine Wunschliste um einige Titel reicher geworden ist. Ich muss unbedingt die Tagebücher von Kafka, Wittgenstein, Camus und Rousseau lesen. (Wegen mir hätten unter den Beispiel-Tagebuch-Schreibern auch ein paar Frauen sein dürfen, aber das ist ein anderes Thema.)

Ich schreibe schon seit vielen Jahren Tagebuch, dokumentiere meine Alltag, meinen Empfindungen, ich komme auch manchmal drauf, dass man nicht jeder Emotion trauen darf. Hier in diesem Büchlein lauteten die Übungen ganz oft: sei authentisch, wage auch mal einen Blick in die zerzausten Ecken deiner Persönlichkeit und halte das dann aus. Ich finde es einigermaßen schwierig die eigenen blinden Flecken auszumachen. Ich kann hart mit mir ins Gericht gehen, alle meine Fehler aufzählen und mich übel beschimpfen für meine Blödheit, wenn ich denn irgendwas ordentlich verbockt habe. Aber das führt noch nicht zu einem versöhnlichen Blick auf mich, noch nicht zu einem Fazit: Was kann ich besser machen? Vielleicht braucht es das gar nicht. Mich selber zu optimieren, als wäre ich die Beta-Version irgendeines Start-ups ist auch sehr bescheuert. Das kann nicht das Ziel sein. Jedenfalls. Hier geht es also um das Verständnis des eigenen Ichs, darum sich schreibend in Beziehung zu bringen, mit sich selbst, mit der Natur, mit allen anderen. Und ich bin überzeugt, dass das geht. Das Schreiben zu leben hilft. Schreiben schafft Bedeutung.

Kein Tag sei ohne Zeile!

Nulla dies sine linea!

Ich bin noch von einer anderen Sache überzeugt: Wenn man in sich (in Form eines Tagebuchs) etwas Ordnung geschaffen hat, dann kann man eine neue Datei anlegen oder ein neues Blatt Papier im Notizbuch aufschlagen und dann etwas neues, etwas Kreatives beginnen. Textarbeit. Schriftsteller versuchen immer ein Problem zu lösen. Ob nun fiktiv oder biografisch, das ist ja eigentlich egal. Mein Gemütszustand hängt oft mit meiner Fähigkeit zu schreiben zusammen, und wenn zu viel los ist, im Seelenhaus, dann klappt es a) mit dem kreativen Schreiben nicht und b) weiß ich manchmal vor Lauter Zuviel gar nicht, was ich denn denke oder fühle und überhaupt. Es ist tröstlich zu wissen, dass es anderen auch so geht. Mir war gar nicht klar, wie gern ich anderer Leute Tagebuch lese. Hinein schnüffeln in andere Gedankenhäuser und erstaunt feststellen: So anders ist deren Fundament gar nicht. Die wollen auch nur sich selbst und die Welt begreifen und dann etwas daraus machen. Dieser Band war sehr hilfreich und ich werde ihn wohl noch manches Mal in die Hand nehmen und aus den Übungen schöpfen um mich selber besser kennen zu lernen und zu begreifen. Bei Susan Sontag hieß das: Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke. (So, jetzt habe ich noch eine TagebuchschreiberIN rein geschmuggelt.) ★★★★★

Ich elender Mensch!

Kafka

  • SchreibenTag für Tag
  • DUDEN Kreatives Schreiben
  • Christian Schärf

Schreiben dicht am Leben

Rezension:

Ich konnte inzwischen das dazugehörige Notizbuch – gebraucht – kaufen und habe somit die Reihe voll. Das bedeutet, ich kann nun all meine Schreibübungen ins Duden Blank Book hineinschreiben, alles hübsch ordentlich und am richtigen Platz. Mein innerer Monk ist sehr zufrieden. Jedenfalls.

Aus dieser Schreibratgeber-Reihe gefällt mir „Schreiben dicht am Leben“ bisher am besten, das spricht mich am meisten an. 19 verschiedene Übungen laden zum Schreiben ein und dieses Mal gefallen mir durchweg auch alle Impulse. Das ist nicht oft so. Üblicherweise picke ich mir ein paar Aufgaben heraus und lasse alles andere links liegen. Jede Übung greift einen Aspekt auf, wie man die Welt betrachten und in Worte fassen könnte. Das geht über den üblichen Tipp „Setze dich in die Fußgängerzone und beobachte Leute“ hinaus. Diese Schreibanregung ist ja nicht neu und findet sich in vielen Ratgebern.

Wie schon in den anderen Büchern der Reihe sind alle Schreibanregungen mit Text-Beispielen untermalt, meine Wunschliste ist schon wieder um 4 weitere Bücher angewachsen, weil mir die Beispiele so gut gefallen haben. Ich habe gestaunt und gedacht: „Was man alles machen kann. Toll.“ Wenn ich also mit meinem Notizbuch in der Fußgängerzone sitze, kann ich alles ganz minimalistisch einfangen, Dialoge mithören, überspitzt darstellen oder ganz anders, den Blick nach innen richten: „Wie geht es mir hier eigentlich?“

Es hindert mich ja keiner daran, mir ein paar Anregungen auszuwählen und miteinander zu vermischen. Ich finde es aber gut, dass hier im Buch die Übungen getrennt voneinander dargestellt sind mit dem Augenmerk auf einer einzige Sache. Ich würde es als „Sehen lernen“ zusammen fassen. Es geht ums beobachten, erfassen und komprimieren: Das Gesehene/Gefühlte in Worte zu fassen. Und da gibt es wirklich sehr viele Möglichkeiten. Ich habe herzlich gerne alles ausprobiert und damit gespielt und auch noch ein paar neue Dinge für mich mitgenommen. Dieser Ratgeber ist, meiner Meinung nach fürs kreative Schreiben, also für SchriftstellerInnen geeignet, Anfänger wie Fortgeschrittene, aber genauso fürs Tagebuchschreiben, für den ganz persönlichen, eigenen Gebrauch. Eine Universalanleitung, quasi.

  • Schreiben dicht am Leben ★★★★★
  • DUDEN – Kreatives Schreiben
  • Hanns-Josef Ortheil

Mein Lese-Monat April

Lese-Monat April: Schreibratgeber, Der dunkle Turm, Horst Evers und der Hobbit

  • Hanns-Josef Ortheil – Schreiben dicht am Leben ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
  • Horst Evers – Wer alles weiß, hat keine Ahnung (Hörbuch) ⭐️⭐️⭐️⭐️
  • J. R. R. Tolkien – Der Hobbit (Hörbuch gelesen von Gert Heidenreich) ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
  • Stephen King – Schwarz (Der dunkle Turm Band 1) Hörbuch gelesen von Vittorio Alfieri ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Ich war die letzten Wochen so mit dem neuen Manuskript beschäftigt, dass ich kaum zum Lesen gekommen bin. Daher sind in meiner Liste eigentlich nur Hörbücher, die ich auf der Autobahn konsumiert habe. Ich hoffe, ich komme diese Woche noch dazu im Blog jeweils eine vernünftige Rezension zu schreiben. Den Schreibratgeber möchte ich herzlich empfehlen und „Schwarz“ habe ich in einer überarbeiteten, erweiterten Fassung gehört. Ich las den Roman vor… puh 15 Jahren? Vielleicht ist es sogar länger her. Dennoch glaube ich, dass die Überarbeitung dem Buch gut getan hat. Ich hatte die Story unter „experimentell“ abgespeichert und dachte damals: „Krass, der gute Herr King hat selber keine Ahnung wo das hinführt. Spannend. Dass er das so schreibt und dass ein Verlag dieses Experiment mitmacht. Da bleibe ich dran.“

Mache ich tatsächlich, ich trete die Reise mit Roland noch mal an – in der Hörbuch-Fassung. Yay.

Was hast du gelesen, hm?