tbt – Werd´ endlich erwachsen!

Werd´ endlich erwachsen

„Werd‘ doch endlich erwachsen!“, blafft sie mich an. Einen Moment bin ich irritiert. Für eine schlagfertige Antwort dauert das zu lang. Ich bin 32 und überlege, den Bruchteil einer Sekunde lang, ob ich der blöden Kuh meinen Kakao über die Rübe kippen soll. Ich habe noch Zeit zu denken, dass ein Sahnehäubchen auf ihrem weißen Haar bestimmt hübsch aussähe. Schade, dass ich keine Sahne bestellt habe.

Dann habe ich mich wieder. Gedanken, Zorn, Trotz. Ich kippe ihr nichts über dem Kopf. „So erwachsen wie du bist, will ich nie werden“, blaffe ich zurück.

Die Verwandtschaft und diverse Freunde sind zusammen gekommen, um irgendjemanden dazu zu beglückwünschen, dass er ein alter Furz geworden ist. Und ich mitten drin. Die Torten sind Diabetes-tauglich und kunststoffsüß, die Rollatoren stehen in einer Reihe im Flur des Gasthauses. Übergewichtige, vollbusige Frauen bringen Rentnerportionen und kneifen kleine Kinder, auf dem Weg zurück in die Küche, in rotglühende Wangen. Es ist laut, es ist warm, es ist langweilig.

Mir gegenüber sitzt Tante Christa, die ich noch nie leiden konnte. Sie ist einen Kopf kleiner als ich, dürr wie ein zehnjähriges Mädchen, aber so giftig, wie eine Viper.

Christa bestellt eine Mokkasahnetorte und eine Tasse Kaffee. Nicht für sich. Für mich. Ich soll das essen und trinken und sie will mir dabei zuschauen. Ich rufe die Bedienung zurück, ordere Kakao ohne Sahne. Nein danke, keinen Kuchen.

Christa ist empört. Darüber, dass ich ihr diesen kleinen Gefallen nicht tun will, darüber, dass ich in meinem Alter immer noch keinen Kaffee trinke, und es ist nahezu ein Sakrileg die gute Mokkasahnetorte, von Tante Monika, gänzlich abzulehnen. In Tante Christas Universum gibt es keine Mokka-Kostverächter. Die Ironie, dass sie zwar Mokka mag, aber nicht isst, entgeht ihr völlig.

„Werd‘ doch endlich erwachsen“, blafft sie mich daraufhin an.

Wenn Christa sich was gönnt, dann isst sie einen halben Apfel. An einem Tag wie heute, gibt es für sie ein Glas Wasser, ohne Kohlensäure natürlich, und Pilger-Geschichten für alle. Verzicht und Strapazen, das ist ihre Vorstellung von einem guten Leben. Kakao passt da nicht rein. Nicht mal zusehen kann sie.

„Nehmen wir kurz an, es gibt Gott. Und er hat die Schokolade erfunden. Dann ist es doch meine Pflicht als guter Christ, seine Schöpfung zu ehren. Man stelle sich mal vor, am Ende, ganz am Ende, da treffe ich auf einen hutzligen Mann in Jogginghose, der auf einem galaktischen Sofa flätzt, sich das Universum-TV rein zieht, sich am Sack kratzt und mich dann fragt: Wieso hast du ignorante Sau die Schokolade, die ich dir zur Verfügung gestellt habe, verschmäht? Hm?

Was soll ich dann sagen?“

Christa ist entsetzt. Über drei Tische hinweg mault sie meine Mutter an.

Sie fängt mit „Deine Tochter“ an, referiert über das Erwachsen sein ganz allgemein, dann kommt noch was mit „dieses gottlose Kind“ und endet mit „schlecht erzogen“. Das ist meiner Mutter alles nicht neu. Deswegen regt sie sich schon lange nicht mehr auf.

Der Kakao kommt. Obwohl er zu heiß ist, trinke ich einen großen Schluck und wische meinen Kakaobart nicht weg. Christa berührt hektisch ihre Oberlippe. Wischt und zeigt und greift mit der Linken nach ihrer Serviette. Ich bin eindeutig zu alt, um mir das Gesicht mit Spucke und einer Serviette reinigen zu lassen. Das weiß sie auch.

Ich mache „Mhmmm“.

Christa nicht.

Manch ein Onkel fummelt an seinem Hörgerät, meine Mutter tötet mich mit Blicken. Ich empfange die Botschaft „Hör auf damit, die Frau hat eh nicht mehr lang.“ Vermutlich stirbt Tante Christa mal am Hunger, statt an Krebs oder Herzversagen, wie normale Leute. Irgendjemand sagt „Die jungen Leute von heute“, und Tante Christa und ich verdrehen die Augen. Das einzige Mal, dass wir uns einig sind.

Ich atme, laut und hörbar und seufzend, was Tante Christa noch mehr aufregt.

„Was hast du denn jetzt zu schnaufen?“ Danach referiert sie etwa zehn Minuten lang darüber, dass jemand wie ich, der die Entbehrungen des Krieges nicht erlebt hat, auch nichts zu schnaufen hat. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder das Leben an sich schwer nähme? Sie ist 1956 geboren, aber ich sage nichts, nippe nur ein weiteres Mal an meinem schokoladigenen Heißgetränk. Mit kindlicher Freude schiebt mir Onkel Karl das Zuckerdöschen über den Tisch. Ich lasse einen Würfelzucker in Form eines Herzchens in meiner Tasse verschwinden.

„Erwachsen sein wird total überbewertet“, sagt er. Onkel Karl sagt immer nur einen Satz pro Tag, mehr gestattet ihm Christa nicht. Ich lächle ihn an, und freu mich, dass dieser eine Satz mir gegolten hat. Das kommt nur alle paar Jahre vor. Er zwinkert. Christa schnauft.

„Hast du´s schwer, Tante Christa?“, frage ich. Ich bekomme keine Antwort, weil meine (gefühlt) siebzehn rosafarbene Cousinen „Alle Vögel sind schon da“ als Geburtstagsständchen auf der Flöte anstimmen. Gott, bin ich froh, dass ich für den Scheiß zu alt bin.

© Carolin Hafen

Werd endlich erwachsen Illu rot

Werd endlich erwachsen

Taschenbuch. Auf Wunsch auch signiert.

8,00 €

tbt – Radtreff

#Throwbackthursday

Wenn sich circa dreißig erwachsene Menschen in sehr knappen, aber gepolsterten Hosen, hautengen Trikots und Sonnencreme auf der Nase, treffen, dann nennt man so ein Ereignis „Radtreff“. Ich bin, konditionstechnisch, in der Gruppe von Jürgen und Regina gelandet, einem verheiratetem Paar, das schon zweiundzwanzig Jahre auf dem Buckel hat. Ehetechnisch. Wenn man die Ehe mit einer lebenslänglichen Haftstrafe vergleicht, wären beide inzwischen wegen guter Führung entlassen worden.

Er radelt, richtungsweisend, ganz vorne, während sie die Nachhut bildet und so verhindert, dass keiner verloren geht, unterwegs. Falls doch einer schwächelt oder Jürgen ein zu strammes Tempo vorgibt, brüllt sie von hinten:

„Wenn ich ein Mal klingle, fährst du langsamer!“

Er antwortet dann, eloquent wie es nur Männer können:

„Wenn ich zwei Mal klingle, leckst du mich am Arsch“.

Verheiratet zu sein, muss echt toll sein.

Der Rest der Gruppe strampelt, meist schweigend, zwischen den Parteien. Je nachdem, ob die Route ansteigt, oder abfällt, rückt ein Ehegesponst näher an uns heran. Das sieht für Außenstehende dann so aus, als würde sich ein Schäferhund unter seine Herde mischen um einen Plausch abzuhalten. Die Autofahrer hupen uns immer begeistert an, wenn drei Radler nebeneinander herfahren um einer Jürgen-Regina-Geschichte zu lauschen.

Ein Beispiel. Jürgen beschwert sich in Hanglage darüber, dass er kein Nudelsieb beim Kochen benutzen darf. Regina meint, dass müsse nach Gebrauch gespült werden und sei grundsätzlich unnütz. Ein richtiger Mann kann Nudelwasser abgießen ohne Hilfsmittel, sagt Regina. Diese Definition eines richtigen Mannes kannte ich bisher noch nicht, und schlage ihm vor, einen Tennisschläger zu benutzen. Unterstreicht sicher seine Männlichkeit. Hat bei Steffi Graf auch funktioniert.

Man stelle sich die zwei Mal diskutierend im Bett vor. Hui.

Bergab erfahre ich dann von Regina, dass Jürgen beim Crêpes backen zuerst den Schinken und dann den Käse auf den Teig wirft. Sakrileg! Sie meint, jeder Vollidiot würde wissen, dass man das anders herum macht. Auf meinen Einwand (und ja, ich bin ein Klugscheißer!), dass mit Jürgens Methode aber der Schinken nicht trocken werden würde, schaut mich Regina so böse an, dass ich beinahe tot vom Rad falle. War aber nur ein Schachtdeckel, nicht ihre Gedankenmacht.

Neulich sind wir dann noch eingekehrt, nach getanem Sport. Was hat man denn von so einer Leistung, wenn man nicht irgendwo schwitzend und stinkend protzen kann: Seht her, wie Vital ich bin.

Sie legte mir drei eiskalte Finger auf den Oberarm, verschwörerisch, irgendwo zwischen Garderobe und Damentoilette und flüsterte „Das nächste Mal fahr ich nur mit dir alleine“. Mein Schinken-Kommentar muss sie schwer beeindruckt haben.

Er fummelte zum Schluss an seinem Fahrradschloss und sah beschäftigt aus, drehte sich umständlich nach den anderen um, damit ja keiner mitkriegt, dass er zu mir genau dasselbe sagt. Nächstes Mal, nur wir zwei.

Ich fahre inzwischen dienstags mit Jürgen und donnerstags mit Regina. Meine Kondition ist supi, sie sparen sich die Eheberatung und falls du dir Sorgen machst, dass mir mal die Beziehungsgeschichten ausgehen; Niemals! Nicht bei der Quelle.

 

© Text: Carolin Hafen

#tbt – im 21. Jahrhundert

Ich glaub ich bin noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Neulich kam ein Bekannter zu mir, und erzählte mir von seiner Spielekonsole. Er fing den Satz mit Boah, Alter! an. Ich liebe Menschen, die ihre Sätze mit Boah, Alter! anfangen. Ganz ehrlich. Man kann dann ungeniert mit Ey, wat? antworten. Probieren Sie das mal aus, das macht Laune, ey.

Jedenfalls erzählte mir der Boah-Typ, dass er mit seiner neuen Konsole vor dem Fernseher Tischtennis gespielt hätte. Da hört es schon auf. Das letzte Mal Tischtennis gespielt habe ich im Landschulheim Anno 1900 irgendwas. Letztes Jahrhundert. Muss man sich mal klar machen. Krass, sag ich und denke an Solitär. Wann hab ich zuletzt Solitär gespielt? Könnte ich eigentlich auch mal wieder. Vermutlich ist Solitär aber voll out, weil man das nicht mit einer Konsole spielen kann, sondern so langweilig klicken muss. Geistige Notiz an mich; nicht mit meinem Solitär-Punktestand protzen.

Der Boah-Typ unterbricht meine schönen Gedanken.

Ja, total. Boah, das Männchen auf dem Bildschirm läuft vor, wenn ICH vorlaufe. Klar, auch zurück, ey! Er schreit fast und ist so begeistert, als hätten die Spielemacher das digitale Rad erfunden.

Und ich kann alles machen, ey. Den Ball von ganz unten holen, dem Ball einen Drall verpassen, schmettern, ALLES, Alter!

Subber, sag ich. Mehr fällt mir nicht ein.

Komsch mal vobei?, fragt er. Kann man auch zu zweit spielen.

Lieber nicht, sage ich und erinnere mich ans Landschulheim, an meinen Ehrgeiz, da hin gehechelt, dort hin gehechelt, auf die Platte gestürzt, Aua gehabt, geheult. Unweigerlich stelle ich mir vor, wie ich bei ihm daheim da hin hechle, dort hin hechle, und in den Flachbildfernseher krache. Das gibt bestimmt ein schlimmes Aua und noch schlimmeres Geheule – bei ihm und mir, ey.

#tbt – Zukunftsvisionen

Ich pflege eine sehr ambivalente Beziehung zu Facebook. Statusmeldungen darüber, wessen Leben gerade ein Ponyhof ist und wer gerade Stalldienst hat, amüsieren mich sehr. Wenn ich mir dann aber die Zukunft ausmale, in der jeder Haushalt eine LED-Anzeige über der Haustür hängen hat, die die Statusmeldungen der Bewohner wiedergibt, mache ich mir Sorgen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich bei jedem lesen möchte, wenn ich am Haus vorbei gehe, was er oder sie gerade treibt.

Selbst den schweren Knackies geht es besser, als uns Normal-Wut-Bürgern. Die Datensammler dieser Welt wissen genau, wer wir sind und was wir tun, bzw. uns gefällt. Inzwischen kann man auch fröhlich posten wo man sich gerade aufhält. Wenn man das selbst nicht will, machen das großzügig die „Freunde“ für einen. Dankeschön. Da muss man sich als vollberufstätiger Einbrecher nicht mal mehr die Mühe machen, Adress-Schildchen an Koffern auf dem Flughafen zu lesen – man kann ganz bequem von Zuhause aus seine zukünftigen Objekte aussuchen. Gleich bei Google Earth geschaut, ob es sich lohnt in dem neuen Haus eine Woche zu bleiben, satt es „nur“ auszuräumen.

Wenn ich mir dann Diskussionen ansehe, über entlassene Straftäter und die Frage nach der Fußfessel, denke ich mir oft: Wozu? Gebt den Leuten doch einen Facebook- Account. Dann ist nichts mehr privat. Kein Mensch auf der Welt ist besser überwacht als ein Facebook-User.

Und wenn wir dann schließlich alle einen Mikrochip unter der Haut haben, mit unserem Personalausweis, der Kreditkarte und dem Amazon-Wunschzettel parat, brauchen wir keine Roboter mehr erfinden. Wir sind dann dumme Maschinen. Ein Hoch auf die Technik.

Keine Sorge, ich habe nicht vor, im Wald in einer Hütte leben und mich von Wurzeln und Gräsern zu ernähren, ohne Strom, Wasser und Facebook.  Aber ich suche hin und wieder nach Ponyhof-Zubehör, um die Suchmaschinen zu verwirren. Mein stiller Akt der Rebellion!

Fragen an die Autorin #8

FAQ 8: Was ist eine Lesebühne? Was ist ein Lesebühnentext?

Ich fasse die beiden Fragen mal zusammen. Lesebühnentexte sind eine eigene Textgattung. Unsere Texte klingen erlebt, es ist ein Spiel mit der eigenen Autobiografie und schamlosem Lügen, weil der Protagonist jeder Geschichte mit dem Autor*In verschmilzt. Ich bin die Protagonistin meiner eigenen Texte, und da ich sowieso immer gefragt werde, ob meine Texte erlebt sind, also autobiografisch, selbst wenn ich über Drachenabenteuer schreibe, dann kann ich das ja auch gezielt nutzen. Wenn mich also jemand fragt, ob meine Texte autobiografisch sind, sage ich ganz klar: Jein.

Nehmen wir kurz an, die Antwort lautet Ja. Dann bin ich die Chronistin meines Lebens. Und ganz ehrlich, dass ist stinklangweilig. Und wenn die Antwort Nein lautet, müsste ich sagen: Ätsch, angelogen. Auch unschön. Zuhörer wollen unterhalten werden, sie wollen gute Geschichten hören, aber nicht angelogen werden. Und ich will nicht alles so schildern, wie es passiert ist bzw. bestehe auf die Bezeichnung „Schriftstellerin“ und nicht nur Tagebuchschreiberin. Schließlich habe ich viele Stunden Arbeit in meine Texte gesteckt. Üben, lernen, versagen, besser werden. Bis ich zum Schluss sagen konnte: Hallo, mein Name ist Carolin, ich schreibe. 

Also betrachte die Sache mit einem Augenzwinkern, ich tu´s auch. 🙂

Meine Oma kommt in manch einem Lesebühnentext vor. Sie starb vor einigen Jahren und ich vermisse sie sehr. Seit ein oder zwei Jahren besucht sie mich in meinen Texten, eine jüngere, agilere Version von ihr. Das ist nicht autobiografisch. Aber gut für mein Seelenheil.

Ich gehöre obendrein zu den Menschen, die wenig spontan und schlagfertig sind. Oftmals fällt mir in einer merkwürdigen Situation keine vernünftige Antwort ein und Stunden später, daheim hätte ich sie dann parat: Die perfekte Antwort. In einem Lesebühnentext spielt Zeit keine Rolle. Da kann ich bissige Kommentare von mir geben, dann wenn sie vonnöten sind.

Zum Schluss, wenn sich die Zuhörer in den Texten wiederfinden und sich lachend auf den Oberschenkel hauen, dann habe ich alles richtig gemacht. Mit meinem Lesebühnentext. Wenn die Zuhörer*Innen sich nicht wieder erkennen, ist das auch nicht schlimm. Dann greift immer noch der Bauer-sucht-Frau-Effekt: Sie können mit dem Finger auf mich zeigen und sagen: Haha, zum Glück bin ich nicht so doof!

Dann ist immer noch alles paletti. 🙂

 

#tbt – Wo kaufen Freude macht

Ohne Kompass und Walking-Stöcke traue ich mich nicht mehr ins Kaufland. Im Kaufland shoppen gehen ähnelt Harry Potters Trimagischen Turnier. Die Mission lautet: Rein ins Labyrinth, mit der Einkaufsliste bewaffnet holen was man braucht und lebend wieder raus finden. Alles leichter gesagt, als getan. Die freundlichen Mitarbeiter stellen ihre Regale samt Inhalt alle zwei Tage um. Wenn man dann nach einer Woche kommt, ist man froh, wenn der Eingang noch an derselben Stelle ist. Während des Einkaufens mache ich dann auch Abstriche. Irgendwo zwischen dem Regal für Dosenbirnen und Küchentücher frage ich mich: „Wie dringend brauche ich heute Erbsen?“

Während ich durch solche Fragen abgelenkt bin, passiert es dann! Ich verlaufe mich hoffnungslos und wünsche mir sehnlichst Harrys Zauberstab herbei mit dem ich rote Funken in den Himmel schießen kann.

“Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus!“

Natürlich habe ich keinen Zauberstab und deshalb bin ich in den heiligen Katakomben der Mitarbeiter gelandet. Früher war hier mal der Getränkemarkt und just in dem Moment als das Tor runter rasselt, weiß ich, dass der Getränkemarkt nicht mehr hier ist.

Plötzlich frage ich mich: „Wie lange dauert es, bis mich hier jemand findet?“ Erbsen sind plötzlich essentiell wichtig! Sie können einem das Leben retten. Gerettet hat mich dann ein netter Mitarbeiter. Na ja, erst hätte er mich fast mit seinem Gabelstapler über den Haufen gefahren und dann schnauzte er mich auch noch an, was ich hier zu suchen hätte. Erbsen ließ er nicht gelten. Dann klärte er mich herablassend darüber auf, dass dieser Bereich nur für Mitarbeiter sei. Ich zeigte dem guten Mann meinen Kompass, auch die Walking-Stöcke und in dem Gespräch muss meine Verzweiflung nicht deutlich genug geworden sein, denn der nette Mitarbeiter fing an zu lachen. Er ließ das Tor wieder hoch rasseln, geleitete mich am Dosengemüse vorbei, grabschte extra für mich ganz oben nach den Erbsen und lachte mich zur Kasse. Meine Verzweiflung wurde auch hier nicht so deutlich, wie ich das gerne gehabt hätte, denn auch die Kassiererin lachte, dann die Bäckerin und zum Schluss die Frau vom Zeitungskiosk.

Wo in dem Laden was ist, weiß ich immer noch nicht, dafür werde ich nun immer sehr herzlich begrüßt.

Inzwischen kann man ja bequem mit dem Handy navigieren. Mit GPS und allem drum und dran. Wird Zeit, dass mal jemand Kartenmaterial fürs Kaufland erfindet. Fänd ich gut.

 

 

#tbt – Das pack´ ich nicht

Es war einmal ein Mann, nicht mehr ganz taufrisch, noch nicht zum alten Eisen gehörend, der bekam Post. Doch leider war er nicht zuhause. So fand er Tage später als er nach Hause kam, ein Kärtchen in seinem Briefkasten – der Held dieser Geschichte, ich nenne ihn Roland, war berufen das Päckchen zu retten. Er machte sich auf den Weg, überquerte wagemutig die Prim, wie auf der Karte angegeben kam Roland zum gelben Packturm, und kratze sich erst mal ausgiebig am Kopf. Wie war diesem Monstrum beizukommen?

Er ging einmal herum, fand keine Tür, keinen Mitarbeiter, keine Anleitung. Da stand unser Held, vor einem gelben Adventskalender, und wusste nicht, wie er Weihnachten herbeiführen sollte. Schöne Bescherung.

Ein wackerer Knappe kam des Weges.

„Kann ich euch helfen, Revolvermann?“

Roland zeigte sein Kärtchen, die Misere war groß.

„Du bist wohl der letzte deiner Art?“, fragte der Knappe lachend, tippte den Packturm leicht an, und wie von Zauberhand erschien ein Bild. „Touchscreen“, sagte der Knappe und erklärte dem letzten Revolvermann wie er an sein Päckchen kam.

„Zum Donnerwetter!“, schimpfte Roland. Kann denn keiner hier hin schreiben, dass man da druff tippen muss?“

Ein in Leder eingehüllter Touchscreen mit der Überschrift FASS! MICH! AN! wäre wohl zu subtil und würde ein anderes Klientel anlocken.

Unser Roland tippte sich zu seiner offenen Tür und zu seinem glückseligen Päckchen. Endlich, endlich! In dem Päckchen befand sich ein neuer Druckkopf für seinen Drucker. Aber das ist wieder eine andere Geschichte unseres Helden Rolands.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann flucht er noch heute.

Fragen an die Autorin #7

FAQ: Wie wird man Schriftsteller? Wie wurdest du Schriftstellerin?

Caro alles super #7Es gibt mehrere Varianten dieser Frage, alle haben mit Werden und hinkommen zu tun. Ich für meinen Teil bin schon immer Schriftstellerin gewesen. Man ist das ja lange bevor man einen Stift aufs Papier setzt oder den Computer einschaltet. Wenn ich meinen Bleistift aufs Papier setzte, ist die Geschichte im Kopf schon fertig.

Ich habe schon als kleines Kind über Geschichten nachgedacht, über Filme und Bücher und was ich daran mag oder eben nicht. Ich habe mit fünf oder sechs „Arielle“ gesehen. Viel Gesinge und die Frage; Kriegen sie sich oder nicht?

Der Film hört da auf, wo ich dachte „Oh, jetzt wird es interessant“. Das Sich-kriegen fand ich langweilig. Ich habe überlegt, was passiert eigentlich, wenn die zwei sich endlich haben? Ich dachte ernsthaft, ich könnte das besser. Eine Geschichte erzählen bis zum wirklichen Ende. Weil, nachdem sich die beiden haben, fängt die Geschichte doch erst an.

Das ist vielleicht das Schönste am Kind sein. Dieser unerschütterliche Glaube alles besser zu können und besser zu wissen. Und weil man noch nie gescheitert ist, stimmt es ja auch. Es ist schade, dass man sich diese Zuversicht ins eigene Können nicht rüber retten kann, ins Erwachsenenleben. Mir jedenfalls ist viel davon abhanden gekommen.

Was ich sagen will, ist folgendes. Ich kam nicht zum schreiben. Ich wurde nicht Schriftstellerin. Ich bin es zu jedem Zeitpunkt gewesen. Was sich geändert hat, ist mein Wortschatz, mich auszudrücken, meine Art zu erzählen. Ich habe geübt und wurde besser. Ich übe immer noch, lerne noch. Mein Schreiben verändert sich dauernd. Sogar meine Stimme.

Aber mir war schon als Kind klar, ein Satz wie

„Da fliegt ein komisches Licht“

und

„Es flirren hunderte Glühwürmchen in meinem Garten hinter dem Haus.“

ist nicht das Gleiche. Und so fängt es wohl an. Das Schriftstellersein. Man überlegt sich, wie heißen die Dinge. Und; Ist das der Anfang einer Geschichte?

 

~Caro

Noch Fragen?

#tbt – Schnee, oder kein Schnee?

Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus, das bedeutet, in der kalten Jahreszeit muss ich alle paar Wochen Schnee schippen. Wir haben so ein Schildchen, das wird von Wohnung zu Wohnung weiter gereicht wie die „Kehrwoche“. Der pflichtbewusste Schwabe weiß was er zu tun hat. Um 7 Uhr schippen.

Ich bin ein Morgenmuffel. Das bedeutet, ich bekomme morgens nur schwerlich die Glotzböppel auf und bin erst nach 9 Uhr ansprechbar. Um 7 Uhr schippen müssen – das ist eine mittelschwere Katastrophe.

Wie läuft das ab, morgens? Der Wecker klingelt und wird schwerfällig erschlagen. Ich ziehe den Rollladen hoch. Wenn es glatt ist, muss ich streuen (5 Minuten). Wenn Schnee liegt, muss ich schippen (30 Minuten). Wenn ich feststelle, es liegt kein Schnee oder ich bin diese Woche gar nicht dran mit schippen: Ich kann eine halbe Stunde länger schlafen (unbezahlbar).

Das Unbezahlbar-Gefühl ist toll, dennoch hätte ich gern einen Wecker, der a) stabiler ist und b) eine Wetterstation integriert hat, die mir sagen kann, ob und wie viel Schnee liegt, und mich nur dann eine halbe Stunde eher weckt, sollte ich schippen müssen. Kann das bittegernedanke jemand für mich erfinden? Kann doch nicht so schwer sein, wir fliegen schließlich auch zum Mond. Und wenn wir gerade bei tollen Erfindungen sind: Die ganzen blinkenden Weihnachtslichterketten könnte man mit etwas Draht prima zu einem Pfeil formen und zu jedem Hundehaufen in den Schnee stecken. Welche schneebedeckten Schmankerl man sich in die Fußmatte vor der Haustür klopft, merkt man immer zu spät. Wenn man dann die durch Leuchtpfeile ausgestattete Schwarzwaldstraße runter rutscht, kommt man sich fast vor wie beim Riesenslalom. Ist doch auch schön.

Nach Feierabend kaufe ich mir einen neuen Wecker. Und dann denke noch etwas über bahnbrechende Erfindungen nach.