Must-read? Puh. Müssen. Ich hasse das Wort. Man muss nichts. Ausser sterben. Ich reagiere mit großem Trotz, wenn jemand Sätze mit „Du musst“ beginnt und dann noch inflationär „Einfach“ in seine Sätze einstreut.
„Du musst einfach Mal verstehen… Bla Bla Bla.“
Da werd´ ich aggro. Wobei ich beim Wort Aggro, das ja gar kein richtiges Wort ist, auch aggro werde. Aber zurück zum Thema. Ich dachte, vor vielen Jahren, man müsste bestimmte Bücher gelesen haben. Keine Ahnung, wer das verlangt, und wem das dient. Lesen ist etwas Schönes, das Zerstreuung bringt, auch Ablenkung, und machmal sogar neue Welten eröffnet. Wenn ich also was muss, so wie damals in der Schule, macht es viel kaputt. Lesen wird zur Strafe, etwas, dass niemand gern tut. (Ich hatte Glück, in meiner Schulzeit waren auf der Müssen-Liste einige gute Bücher, die meine Welt größer gemacht und mir das Lesen nicht verlitten haben.) Aber damals dachte ich, Bücher wie „Buddenbrooks“ muss man gelesen haben, weil man dann irgendwie klug, belesen, gebildet wäre. Jetzt ist es aber so, dass ich besagtes Buch sehr, sehr langweilig finde. Auf Seite 100 waren die Herrschaften immer noch am Essen. Boah.
Jetzt muss ich kurz ausholen. Ich habe zwei Bücher zu Ende gelesen, obwohl ich sie schrecklich fand und langweilig. Guido Maria Kretschmer würde jetzt mit Inbrunst sagen: „Das tut gar nichts für dich!“ Er sagt das bei Klamotten, aber den Satz kann man so ziemlich überall anwenden. Wenn etwas nichts für dich tut, lass es sein. Hör auf Guido. Ich wünschte, ich hätte das mit Anfang 20 gewusst, als ich „Der Name der Rose“ und „Deutschlandreise“ las. Ganz schlimm. Beides. Ich quälte mich durch die Wälzer und am Schluss fühlte ich mich schlecht, weil ich dachte, ich müsste den Käse gelesen haben, obendrein gut finden, als dürfe man irgendwelche Klassiker nicht kritisieren, weil sie ja Klassiker sind. Ein Teufelskreis. So müssen auch andere da durch, und wofür? Wem nutzt das? Eben, niemandem. Wenn aus einem Schüler ein Nichtleser wird, wegen Goethe und Schiller, dann hat zwar Reclam ein paar Bücher verkauft, aber danach, alle anderen Verlage nichts. Das kann doch nicht des Pudels Kern sein.
Bücher sollen Spaß machen, Lesen ermöglicht eine neue Sicht auf die Welt – wenn man das Richtige liest. Also muss es passen. Daher sind „Must-Read“ Empfehlungen für mich erst Mal Unsinn. Ich wurde mal gefragt, warum ich meine gelesenen Bücher alle so gut bewerte. Da sind selten Ausschläge nach unten in meinen Bewertungen, weil ich selten daneben greife. Und darin liegt ja schon die Antwort: Ich suche mir Bücher aus, die mich neugierig machen. Ich kenne ja meinen Geschmack. Ich weiß, dass ich Liebesgeschichten oft kitschig finde. Ich weiß, dass mir Krimis meist zu blutrünstig sind. Ich weiß, dass Adjektive in einem gesunden Ausmaß gut sind. Ich weiß, dass ich Fantasy mag und fremde Welten. Antihelden. Ich will Dinge entdecken, die ich so noch nie gesehen habe. Geschichten über das Suchen und finden. Menschen, die genau hinsehen, Autoren, die ihre Wörter im Griff haben. Und so wähle ich meine Bücher aus, lese Klappentexte und erste Seiten an. Wenn die Geschichte mich auf den ersten Seiten in den Bann zieht, weil mir die Schreibe des Autors/der Autorin gefällt, dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Bei Filmen schaue ich doch auch den Trailer, entscheide dann ob mir das Aussehen der Geschichte gefällt, ob ich die Darsteller gut finde, ob die Geschichte zu mir passt. Es war ein langer Lernprozess, ich musste ein paar Skrupel ablegen, dieses „Müssen“ abschütteln. Daher lege ich inzwischen Bücher, die mich langweilen, deren Ton mir nicht zusagt, (die Gründe können vielfältig sein) einfach weg. Weil, ich muss nichts. Du auch nicht.
(Falls du es nicht wusstest: Du musst wirklich nichts. Gern geschehen!)
Nehmen wir ein anderes Wort. Sollten. Sollten ist nicht so aggressiv. Du solltest lesen. Viel. Das kann ich sagen, dann ist es Meinung, kein Fakt. Meiner Meinung nach ist lesen super, ganz allgemein, und du solltest jetzt den Computer ausmachen, dir ein Buch schnappen und auf den Balkon oder in den Garten gehen, dir die Sonne auf den Pelz scheinen lassen und deinem Hirn was gönnen. Buchstaben, Farben, Emotionen. Ein paar Satzzeichen dazu, dann ist es beautiful. Und das ist gut für dich. Aber es ist deine Entscheidung, ob du es auch tust.
Happy reading.
~Caro