Für Nächte am offenen Fenster

Ich lese gerade Max Goldt.

  • Für Nächte am offenen Fenster
  • Die prachtvollsten Texte von 1987 bis 2020
  • Rowohlt Verlag

Ich habe mich neulich mit meinem Shorties-Kollegen Volker Schwarz über den Autor unterhalten, er schwärmte sofort von der urindurchtränkten Klofußumpuschelung und ich guckte verwirrt. Den Text bzw. den Begriff kannte ich nicht. Vor Jahren war ich mal in Rottweil, bei einer Lesung von Max Goldt und habe mir dort gleich zwei Bücher gekauft, signieren lassen und gelesen. Ganz begeistert. Doch dann lockten andere Bücher, neue Lesungen, wie das halt so geht. Ich bin da nicht dran geblieben… Nun hat Volki mir dieses Buch mitgebracht, ich habe die ersten 100 Seiten weggelesen und meine alte Begeisterung flammt gerade wieder auf. Der Mann hat einfach einen größeren Wortschatz als gewöhnliche Leute und bedient die Klaviatur der deutschen Sprache wie ein Meister. Dazu erfindet er noch dauernd Begrifflichkeiten, die gefehlt und dringend nötig waren. Es ist ein Fest. Ich nicke und kichere und denke dauernd: Ja, genau!

Aber mehr noch: Volker hat das Buch richtig beackert. Passagen angestrichen, Gedanken hinein geschrieben, ich weiß genau wo er lachen musste. Ich liebe sowas. Menschen, die sich nicht scheuen mit einem Buch zu arbeiten, es mehrfach lesen, Zettel hinein stecken, rein schreiben und dokumentieren was ihnen gefallen hat und warum. Ich finde es schade, dass ich dieses Exemplar zurück geben muss. Ich kauf das, ist ja klar, ich bin ganz begeistert, das muss später in meinem Regal stehen. Aber ohne Volkers Notizen ist es nicht das selbe. Jetzt muss ich das selber machen. Ts. 

Wie sehen deine Bücher aus? Wie neu? Oder geliebt?

#tbt – Ihr jungen Leute

Annette weiß alles besser. Alles, was sie von mir weiß, hat sie sich in wenigen Sekunden zusammen gereimt. Ich bin jung, das ist offensichtlich, auch ohne Brille und sie hat immer Recht. Grundsätzlich.
Jeden Satz beginnt Annette mit den Worten: Ihr jungen Leute… Als würden wir jungen Leute einer anderen Rasse angehören. Ihrem Tonfall nach der Rasse der kinderfressenenden Religionsfanatiker.
Sie weiß, dass ich schreibe, das hat ihr Heiderose am Telefon gesagt. Ich dachte eigentlich, der Umstand, dass ich sie vom Zug abhole, und zu unserem Schreibzirkel fahre, macht die Sache klar. Manche Dinge muss man halt auch aussprechen. Nun sitzt Annette bei mir im Auto. Mit ihr, die universelle Wahrheit.

Ich konnte nicht nein sagen. Heiderose hat kein Auto, die anderen Damen nicht mal einen Führerschein, also fahre ich. Ehrenamtlich. So sieht die Betreuung einer Senioren-Schreibgruppe eben aus.

Es dauerte 30 Sekunden bis ich von Annette genervt war. So lange dauerte es, bis wir endlich los laufen konnten, vom Bahnsteig zum Parkplatz, zu meinem Auto. Sieben ihr jungen Leute hörte ich mir bis dahin an. Der Zug war noch nicht mal angefahren. Da wollte ich sie schon wieder rein setzen und ans Ende der Welt schicken. Orient Express auf Nimmerwiedersehen. Stattdessen beiße ich mir im Geiste in den Arsch für mein Gutmenschentum und nehme mir vor in Zukunft ein Nein-Monster zu sein.

Annette wälzt sich in mein Auto. Es hat Schlagseite, das arme Ding, es leidet mehr als ich.
„Du schreibst also“, sagt sie zu mir, als wir los fahren. Sie hält sich am Griff über dem Seitenfenster fest, sie schwabbelt dennoch in den Kurven bedenklich hin und her. Mit der anderen Hand hält sie ihre monströse Handtasche fest, der Gehstock klemmt zwischen ihr und der Tür. Sie starrt mich von der Seite an.
Hmhm.

Annette fragt nicht, ob ich schon was veröffentlicht habe, oder was ich überhaupt schreibe, könnten ja auch Sachbücher sein.
„…da musst mal was an den Reich-Raschinski schicken.“
Sie meint wohl Reich-Ranicki, aber ich lasse den Klugscheißer mal stecken.
„Ein feiner Mann ist das. Weißt du, warum ich den mag? Der schreibt so kurze Sätze. Hast du MEIN LEBEN von ihm gelesen? So ein gutes Buch. Hast du es gelesen? Lest ihr jungen Leute eigentlich? Lies das Buch!“

Hmhm.
„Weißt du, eine Frau hat dem mal ein Buch geschickt, von sich, der Herr Reich-Raschinski mag sowas! Und dann hat er sie gelobt und sie kam ganz groß raus.“

Hmhm.
„Musst du auch mal probieren.“ Annette plappert weiter.
„Oh ja, prima Idee. Danke für den Tipp.“ Sie ist unempfänglich für Sarkasmus und ich ärgere mich, dass ich mich in dieser Gegend nicht besser auskenne. Was gäbe ich jetzt für einen einsamen Waldweg. Ich liefere Anette brav am Gemeindehaus ab. Die Kursleiterin nimmt uns in Empfang.

Das wird ein langer Tag.

#tbt – Im Buchladen

Neulich war ich in der Buchhandlung meines Vertrauens. Das passiert mir öfters. Diesmal stöberte ich bei den Kinderbüchern, ich suchte ein Geburtstagsgeschenk. Ich hatte eine Einladung zur Party eines 4-jährigen bekommen, samt Emailadresse KleinHannes@Geburtstagsfeschtle.de, damit man als Gast auch standesgemäß zu- oder absagen kann. Ich dachte mir, dass ist ein schlaues Kind, der kann schon lesen, hat eine eigene Emailadresse, da schenk ich doch ein Buch. Vielleicht über Quantenphysik oder so. In der Buchhandlung guckte mich die Verkäuferin dann etwas irritiert an, als ich bemängelte, dass es kein Was-ist-Was-Buch dazu gibt.

(In der Einladung stand auch was von Angemessener Garderobe, was das bedeutet weiß ich noch nicht, das ist dann wieder eine andere Geschichte.)
Mit mir in der Kinderbuchabteilung war eine junge Mutter mit ihrem Sohn, etwa 5 Jahre alt.
Der Junge interessierte sich für Bagger, LKWs und Autos. Was sonst? Die Mutter für wilde Tiere und Zoogeschichten.

Sprössling: Ich will DAS Buch, Mama.
Sie: Wirklich? Dieses blöde? Mit den LKWs, obwohl du schon drei von denen daheim hast?
Sprössling: Ja, genau das.
Sie: Guck doch hier, die Tiere kann man aufklappen, die machen sogar Geräusche. Hör, mal, der Löwe.

Der Löwe: brüllt.
Sprössling: Löwen find ich blöd. Gibt es Bücher mit Motorengeräusch?
Sie (entsetzt): NEIN! (Ich nehme an, die Familie wohnt in einem Neubaugebiet, was ihr entsetztes Nein erklären würde.)
Sprössling: Ich will das Buch haben, auch wenn´s keine Geräusche macht.
Sie (verzweifelt): Ganz sicher? Guck mal das hier…
Sprössling: Blööööööööööd. Ganz blööööd!

Er findet ein weiteres Buch.

Sprößling: Guck, Mama. Oh, das hier!
Sie (genervt): Bagger. Wie viele Bagger-Bücher hast du Zuhause?
Sprössling : Soweit kann ich noch nicht zählen.
Sie greift nach einem weiteren Buch, ich glaube mit Feen.
Sprössling: MAH MAH! (Er seufzt theatralisch, angesichts seiner bornierten Mutter. Das Wort borniert kennt er noch nicht, aber er seufzt, als würde er es kennen.)

Sprössling: BLÖ-HÖ-D! Das hier!
Sie (resigniert): Wirklich?

Sprößling: Ja, wirklich.

Die Verkäuferin und ich guckten sie mitleidig an.

Ich hoffe inständig, dass Klein Hannes das Wort Blöd mit dreiundzwanzig Ös noch nicht kennt. Ich hab das gleiche Buch wie der blö-hö-ende Sprössling gekauft. Nur um sicher zu gehen. Ich will mich ja nicht blamieren beim Kindergeburtstag.

#tbt – im 21. Jahrhundert

Ich glaub ich bin noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Neulich kam ein Bekannter zu mir, und erzählte mir von seiner Spielekonsole. Er fing den Satz mit Boah, Alter! an. Ich liebe Menschen, die ihre Sätze mit Boah, Alter! anfangen. Ganz ehrlich. Man kann dann ungeniert mit Ey, wat? antworten. Probieren Sie das mal aus, das macht Laune, ey.

Jedenfalls erzählte mir der Boah-Typ, dass er mit seiner neuen Konsole vor dem Fernseher Tischtennis gespielt hätte. Da hört es schon auf. Das letzte Mal Tischtennis gespielt habe ich im Landschulheim Anno 1900 irgendwas. Letztes Jahrhundert. Muss man sich mal klar machen. Krass, sag ich und denke an Solitär. Wann hab ich zuletzt Solitär gespielt? Könnte ich eigentlich auch mal wieder. Vermutlich ist Solitär aber voll out, weil man das nicht mit einer Konsole spielen kann, sondern so langweilig klicken muss. Geistige Notiz an mich; nicht mit meinem Solitär-Punktestand protzen.

Der Boah-Typ unterbricht meine schönen Gedanken.

Ja, total. Boah, das Männchen auf dem Bildschirm läuft vor, wenn ICH vorlaufe. Klar, auch zurück, ey! Er schreit fast und ist so begeistert, als hätten die Spielemacher das digitale Rad erfunden.

Und ich kann alles machen, ey. Den Ball von ganz unten holen, dem Ball einen Drall verpassen, schmettern, ALLES, Alter!

Subber, sag ich. Mehr fällt mir nicht ein.

Komsch mal vobei?, fragt er. Kann man auch zu zweit spielen.

Lieber nicht, sage ich und erinnere mich ans Landschulheim, an meinen Ehrgeiz, da hin gehechelt, dort hin gehechelt, auf die Platte gestürzt, Aua gehabt, geheult. Unweigerlich stelle ich mir vor, wie ich bei ihm daheim da hin hechle, dort hin hechle, und in den Flachbildfernseher krache. Das gibt bestimmt ein schlimmes Aua und noch schlimmeres Geheule – bei ihm und mir, ey.

#tbt – Zukunftsvisionen

Ich pflege eine sehr ambivalente Beziehung zu Facebook. Statusmeldungen darüber, wessen Leben gerade ein Ponyhof ist und wer gerade Stalldienst hat, amüsieren mich sehr. Wenn ich mir dann aber die Zukunft ausmale, in der jeder Haushalt eine LED-Anzeige über der Haustür hängen hat, die die Statusmeldungen der Bewohner wiedergibt, mache ich mir Sorgen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich bei jedem lesen möchte, wenn ich am Haus vorbei gehe, was er oder sie gerade treibt.

Selbst den schweren Knackies geht es besser, als uns Normal-Wut-Bürgern. Die Datensammler dieser Welt wissen genau, wer wir sind und was wir tun, bzw. uns gefällt. Inzwischen kann man auch fröhlich posten wo man sich gerade aufhält. Wenn man das selbst nicht will, machen das großzügig die „Freunde“ für einen. Dankeschön. Da muss man sich als vollberufstätiger Einbrecher nicht mal mehr die Mühe machen, Adress-Schildchen an Koffern auf dem Flughafen zu lesen – man kann ganz bequem von Zuhause aus seine zukünftigen Objekte aussuchen. Gleich bei Google Earth geschaut, ob es sich lohnt in dem neuen Haus eine Woche zu bleiben, satt es „nur“ auszuräumen.

Wenn ich mir dann Diskussionen ansehe, über entlassene Straftäter und die Frage nach der Fußfessel, denke ich mir oft: Wozu? Gebt den Leuten doch einen Facebook- Account. Dann ist nichts mehr privat. Kein Mensch auf der Welt ist besser überwacht als ein Facebook-User.

Und wenn wir dann schließlich alle einen Mikrochip unter der Haut haben, mit unserem Personalausweis, der Kreditkarte und dem Amazon-Wunschzettel parat, brauchen wir keine Roboter mehr erfinden. Wir sind dann dumme Maschinen. Ein Hoch auf die Technik.

Keine Sorge, ich habe nicht vor, im Wald in einer Hütte leben und mich von Wurzeln und Gräsern zu ernähren, ohne Strom, Wasser und Facebook.  Aber ich suche hin und wieder nach Ponyhof-Zubehör, um die Suchmaschinen zu verwirren. Mein stiller Akt der Rebellion!

#tbt – Wo kaufen Freude macht

Ohne Kompass und Walking-Stöcke traue ich mich nicht mehr ins Kaufland. Im Kaufland shoppen gehen ähnelt Harry Potters Trimagischen Turnier. Die Mission lautet: Rein ins Labyrinth, mit der Einkaufsliste bewaffnet holen was man braucht und lebend wieder raus finden. Alles leichter gesagt, als getan. Die freundlichen Mitarbeiter stellen ihre Regale samt Inhalt alle zwei Tage um. Wenn man dann nach einer Woche kommt, ist man froh, wenn der Eingang noch an derselben Stelle ist. Während des Einkaufens mache ich dann auch Abstriche. Irgendwo zwischen dem Regal für Dosenbirnen und Küchentücher frage ich mich: „Wie dringend brauche ich heute Erbsen?“

Während ich durch solche Fragen abgelenkt bin, passiert es dann! Ich verlaufe mich hoffnungslos und wünsche mir sehnlichst Harrys Zauberstab herbei mit dem ich rote Funken in den Himmel schießen kann.

“Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus!“

Natürlich habe ich keinen Zauberstab und deshalb bin ich in den heiligen Katakomben der Mitarbeiter gelandet. Früher war hier mal der Getränkemarkt und just in dem Moment als das Tor runter rasselt, weiß ich, dass der Getränkemarkt nicht mehr hier ist.

Plötzlich frage ich mich: „Wie lange dauert es, bis mich hier jemand findet?“ Erbsen sind plötzlich essentiell wichtig! Sie können einem das Leben retten. Gerettet hat mich dann ein netter Mitarbeiter. Na ja, erst hätte er mich fast mit seinem Gabelstapler über den Haufen gefahren und dann schnauzte er mich auch noch an, was ich hier zu suchen hätte. Erbsen ließ er nicht gelten. Dann klärte er mich herablassend darüber auf, dass dieser Bereich nur für Mitarbeiter sei. Ich zeigte dem guten Mann meinen Kompass, auch die Walking-Stöcke und in dem Gespräch muss meine Verzweiflung nicht deutlich genug geworden sein, denn der nette Mitarbeiter fing an zu lachen. Er ließ das Tor wieder hoch rasseln, geleitete mich am Dosengemüse vorbei, grabschte extra für mich ganz oben nach den Erbsen und lachte mich zur Kasse. Meine Verzweiflung wurde auch hier nicht so deutlich, wie ich das gerne gehabt hätte, denn auch die Kassiererin lachte, dann die Bäckerin und zum Schluss die Frau vom Zeitungskiosk.

Wo in dem Laden was ist, weiß ich immer noch nicht, dafür werde ich nun immer sehr herzlich begrüßt.

Inzwischen kann man ja bequem mit dem Handy navigieren. Mit GPS und allem drum und dran. Wird Zeit, dass mal jemand Kartenmaterial fürs Kaufland erfindet. Fänd ich gut.

 

 

#tbt – Das pack´ ich nicht

Es war einmal ein Mann, nicht mehr ganz taufrisch, noch nicht zum alten Eisen gehörend, der bekam Post. Doch leider war er nicht zuhause. So fand er Tage später als er nach Hause kam, ein Kärtchen in seinem Briefkasten – der Held dieser Geschichte, ich nenne ihn Roland, war berufen das Päckchen zu retten. Er machte sich auf den Weg, überquerte wagemutig die Prim, wie auf der Karte angegeben kam Roland zum gelben Packturm, und kratze sich erst mal ausgiebig am Kopf. Wie war diesem Monstrum beizukommen?

Er ging einmal herum, fand keine Tür, keinen Mitarbeiter, keine Anleitung. Da stand unser Held, vor einem gelben Adventskalender, und wusste nicht, wie er Weihnachten herbeiführen sollte. Schöne Bescherung.

Ein wackerer Knappe kam des Weges.

„Kann ich euch helfen, Revolvermann?“

Roland zeigte sein Kärtchen, die Misere war groß.

„Du bist wohl der letzte deiner Art?“, fragte der Knappe lachend, tippte den Packturm leicht an, und wie von Zauberhand erschien ein Bild. „Touchscreen“, sagte der Knappe und erklärte dem letzten Revolvermann wie er an sein Päckchen kam.

„Zum Donnerwetter!“, schimpfte Roland. Kann denn keiner hier hin schreiben, dass man da druff tippen muss?“

Ein in Leder eingehüllter Touchscreen mit der Überschrift FASS! MICH! AN! wäre wohl zu subtil und würde ein anderes Klientel anlocken.

Unser Roland tippte sich zu seiner offenen Tür und zu seinem glückseligen Päckchen. Endlich, endlich! In dem Päckchen befand sich ein neuer Druckkopf für seinen Drucker. Aber das ist wieder eine andere Geschichte unseres Helden Rolands.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann flucht er noch heute.

#tbt – Schnee, oder kein Schnee?

Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus, das bedeutet, in der kalten Jahreszeit muss ich alle paar Wochen Schnee schippen. Wir haben so ein Schildchen, das wird von Wohnung zu Wohnung weiter gereicht wie die „Kehrwoche“. Der pflichtbewusste Schwabe weiß was er zu tun hat. Um 7 Uhr schippen.

Ich bin ein Morgenmuffel. Das bedeutet, ich bekomme morgens nur schwerlich die Glotzböppel auf und bin erst nach 9 Uhr ansprechbar. Um 7 Uhr schippen müssen – das ist eine mittelschwere Katastrophe.

Wie läuft das ab, morgens? Der Wecker klingelt und wird schwerfällig erschlagen. Ich ziehe den Rollladen hoch. Wenn es glatt ist, muss ich streuen (5 Minuten). Wenn Schnee liegt, muss ich schippen (30 Minuten). Wenn ich feststelle, es liegt kein Schnee oder ich bin diese Woche gar nicht dran mit schippen: Ich kann eine halbe Stunde länger schlafen (unbezahlbar).

Das Unbezahlbar-Gefühl ist toll, dennoch hätte ich gern einen Wecker, der a) stabiler ist und b) eine Wetterstation integriert hat, die mir sagen kann, ob und wie viel Schnee liegt, und mich nur dann eine halbe Stunde eher weckt, sollte ich schippen müssen. Kann das bittegernedanke jemand für mich erfinden? Kann doch nicht so schwer sein, wir fliegen schließlich auch zum Mond. Und wenn wir gerade bei tollen Erfindungen sind: Die ganzen blinkenden Weihnachtslichterketten könnte man mit etwas Draht prima zu einem Pfeil formen und zu jedem Hundehaufen in den Schnee stecken. Welche schneebedeckten Schmankerl man sich in die Fußmatte vor der Haustür klopft, merkt man immer zu spät. Wenn man dann die durch Leuchtpfeile ausgestattete Schwarzwaldstraße runter rutscht, kommt man sich fast vor wie beim Riesenslalom. Ist doch auch schön.

Nach Feierabend kaufe ich mir einen neuen Wecker. Und dann denke noch etwas über bahnbrechende Erfindungen nach.

#tbt – Akustik-Mobbing

Neulich war ich hungrig. Das passiert mir öfters. In der Mittagspause muss es bekanntlich schnell gehen, kurz einen Happen zwischendurch, damit man beim Drei-Uhr-Termin nicht vor Hunger vom Stühlchen fällt.

Im Kaufhaus ist es mir nicht neu, dass man dim di dum la la einkaufen geht, und beschwingt durch irgendwelche Fahrstuhlmusik Sachen einkauft, die man a) nicht braucht und b) sobald man zuhause ist, auch nicht mehr will.

Neu ist mir die mittägliche Zwangsbeschallung via Fernseher im Gastraum diverser NahrungsaufnahmeEtablissements; da wird man von Viva und MTV angeplärrt und wundert sich, dass es plötzlich nicht mehr schmeckt. Hungrige Menschen, die alleine am Tisch sitzen, glotzen in die Röhre. Ganze Gruppen, die sich alle vermutlich nicht leiden können oder sich nichts zu sagen haben, glotzen in die Röhre. Arbeitskollegen, Pärchen, Kellner, vermutlich guckt sogar das Ungeziefer hinter den Schränken hervor und denkt sich: Sind die ga ga la la?

Ich sehe es schon kommen, irgendwann werden die Fressbuden dieser Welt mit Einzelboxen ausgestattet, die eine Spielekonsole beherbergen. Ein Männchen auf dem Bildschirm guckt dann Viva, und unsereins füttert das Männchen via Kontroller, weil wir uns unser Fastfood intravenös rein ziehen. Futter aus der Tube hat sich ja immer noch nicht richtig durchgesetzt. Also virtuell. Wir sehen uns beim Essen zu.

Vielleicht erfindet ja auch mal jemand Tischkärtchen mit Small-Talk Tipps; Happy together mit realen Menschen am Tisch. Schön wären auch Spickzettel-Servietten mit Quizfragen – Wer wird Millionär in der Mittagspause? Und bis dahin bleibe ich bei meinem Standartsatz; Schau mir in die Augen, Kleines!

#tbt – Im Kino

Neulich war ich im Kino und sie waren alle da: Die rülpsenden Biertrinker, die Taccofresser, die Popcornraschler und die Handyfummler. Mit all diesen Menschen könnte ich noch Leben, angesichts einer Lautstärke im Saal, die ein landendes Flugzeug im Foyer übertönen würde. Doch wer schleicht sich während der Werbung noch rein, in den nicht jugendfreien Film? Mami, Papi und zwei Kinder. Da sie spät dran sind, haben sie keine Plätze nebeneinander bekommen. Die Kinder, nennen wir sie der Einfachheit halber Goof 1 und 2, sitzen links außen, zwei Reihen vor mir. Mami und Papi rechts außen, drei Reihen vor mir.

Goof 1 rannte die Reihe entlang:

Mama, ich muss mal.

Goof 2 brüllt:

Mama, mich gruselt´s.

Goof 1 rennt:

Mama, hat der den Vogel wirklich tot gemacht?

Goof 2 brüllt:

Mama, muss man im Kino wirklich den Mund halten? Die GANZE Zeit?

Goof 1 rennt:

Mamaaa, dauert der Film noch lange?

Goof 2 brüllt:
Mama, der Film ist doof.

Eine Weile guckte ich mir das an, stupste dann meine Freundin Alice an, die vor lauter genervtem Augen verdrehen, nichts vom Film mitbekam. Alice ist eine Frau mit Handtasche, bedeutet: Auf ALLES vorbereitet.

„Sag mal, hast du Zahnseide dabei?“

Der Mann zu meiner Linken war so freundlich mir sein Popcorn zur Verfügung zu stellen um Goof 2 das Maul zu stopfen. Mit der Zahnseide fesselte ich Goof 1 an den Sessel.

Die Biertrinker prosteten mir zu, die Taccofresser gaben mir was zu Knuspern ab, die Popcornraschler veranstalteten ein Maisfeuerwerk und die Handyfummler riefen ALLE ihre Freunde an um ihnen zu erzählen, dass die Verrückte aus Reihe 8 ein Kind an den Sitz gefesselt hat.

Ich weiß nicht, wie der Film war.

Ich muss zum Arzt; Tinnitus.