
Knigge ist In
Halbjährlich liegt das Kurs-Heft der Volkshochschule in meinem Briefkasten und ich habe eine Freundin, die wie ich Spaß dran hat, Kurse und Vorträge zu besuchen. Neulich waren wir bei einem Vortrag einer Ernährungsberaterin zum Thema „Grüne Smoothies“ und im April schauen wir uns einen Vortrag zum Thema Moral von Richard David Precht an, worauf ich sehr gespannt bin.
Letzte Woche haben wir aus Spaß an der Freude einen Knigge-Kurs besucht. Im VHS-Heft war der Kurs mit einem Vier-Gänge-Menü und Aperitif ausgeschrieben und das Restaurant, in dem die Veranstaltung statt fand, habe ich ewig nicht besucht. Und weil Manieren zu haben nie schadet, waren das für mich alles gute Gründe mich dort anzumelden.
Unsere Knigge-Trainerin war Marion Eckert-Merkle, die ist Vorstandsmitglied der deutschen Knigge Gesellschaft. Mir war bis dahin nicht mal klar, dass es eine Knigge Gesellschaft gibt bzw. dass man sich zur Knigge-Trainerin ausbilden lassen kann. So ganz offiziell. Aber ich hatte an dem Abend noch so manches Aha-Erlebnis. Mir war gar nicht klar, was ich so alles falsch mache bei Tisch.
Im Vorfeld habe ich mir den Abend bieder, ernst und unlustig vorgestellt, weil ich dachte, wir werden jetzt drei Stunden gemaßregelt wie früher bei Mutti.
„Zappel nicht, sitz´ aufrecht, bohr nicht in der Nase!“
Das mit dem Aufrecht sitzen kam dann tatsächlich, ich war aber sehr erleichtert, als ich hörte es gehöre auch zum guten Ton eben niemanden schulmeisterlich zurechtzuweisen. Mir passiert es regelmäßig, dass ich von anderen Leuten darauf hingewiesen werde, dass ich Messer und Gabel falsch halte. Richtig ist: Gabel links, Messer rechts. Ich kann das aber nicht, und mache es deshalb anders herum. Sollte ich je bei der Queen zum essen eingeladen werden, muss ich mich wohl anständig vorbereiten und es mühevoll richtig lernen. Bis dahin belasse ich alles wie gehabt. Ich habe an dem Abend im Kurs gezeigt bekommen wie man es richtig macht und noch vieles andere. Angefangen damit wie man ein Restaurant betritt, wer wann voraus läuft und wen wo hin begleitet.
Ich tat mich wirklich schwer mit dem „platziert werden“. Wenn also der Mann mir den Stuhl heranrückt und ich selber nicht wirklich Hand anlegen und korrigieren darf. Das kam mir sehr albern und unemanzipiert vor – wenn ich meinen Stuhl nicht selber hin rücken kann/darf wo ich ihn haben will. Für den Abend war es sehr lustig von meinem Tischnachbarn Volker platziert zu werden, der arme Mann war für meine Freundin und mich zuständig, weil wir ohne Männer da waren. Ich glaube, Mann sein, mit allen Knigge-Regeln und Verpflichtungen, ist echt mühselig. Frau Eckert-Merkle nahm der ganzen Veranstaltung aber viel Schwere, durch ihre sympathische Art. Wir haben wirklich viel gelacht, jeder konnte wild Fragen stellen, selber ausprobieren und zuschauen, wie die anderen sich anstellen beim Ei aufschlagen oder Suppe löffeln.
Wir waren ca. 25 Leute, darunter drei oder vier Veganer. Da die Veganer angekündigt waren, konnte das Hotel bzw. die Küche für diese vier ein entsprechendes Menü zusammen stellen und ich habe ganz neugierig geschaut, was die anderen zu essen bekommen. Wenn das vegan ist, Leute, dann ess ich das auch! Und nein, ich fotografiere mein Essen aus Prinzip nicht. Da gibt es bestimmt auch eine Knigge-Regel dafür oder dagegen. Ich habe vergessen zu fragen.
Das Essen war sehr lecker und die drei Stunden im Flug vergangen. Ich bin erstaunt wie viele Dinge ich mit in den Alltag nehmen kann – gut, dass platziert werden wohl nicht, aber da halte ich mich an das Szenario mit der Queen. So lange ich im Gasthaus „Lamm“ gut bürgerlich mit Freunden esse – geschäftliche Termine passieren mir selten – so lange setze ich mich hin wie ich will. 🙂
Alles in allem war das ein schöner, unterhaltsamer und interessanter Abend. Ich kann nur jedem empfehlen, das mal auszuprobieren. Knigge ist nicht streng und bieder. Es geht viel mehr um Herzlichkeit, Empathie und stilvollen Umgang miteinander.
cmh.
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Webseite von Marion Eckert-Merkle