Schluß und ÜberarbeitungVerlage, Verträge, AgentenMarketing für Autoren
Ich habe diese Schreibratgeber-Reihe vor vielen Jahren begonnen, da war das noch eine Buchreihe als Hardcover im Weltbild Verlag. Zwischenzeitlich musste ich dann auf eBücher umsteigen, was natürlich kein Problem ist. Aber die Print-Bücher damals, die waren sehr hübsch gemacht, die hatten eine schöne Haptik und auch, wenn ich die Reihe inzwischen abgeschlossen habe – im Bücherregal ist die Sache nur halbfertig und mein innerer Monk ist unzufrieden. Aber das nur am Rande.
Ich zähle mich jetzt wirklich nicht zu den alten Hasen, ich habe auch noch einiges zu lernen… Ich glaube, es war Hemingway, der gesagt hat, dass man als SchriftstellerIn niemals zum Meister wird. Oder so ähnlich. Ich mochte diese Reihe sehr gern, Diana Hillebrand vermittelt ihr Wissen sehr sympathisch und persönlich samt Textbeispielen. Mit den ersten fünf oder sechs Bänden der Reihe habe ich sehr intensiv gearbeitet und viel davon profitiert (ich hatte sogar das passende Notizbuch dazu), aber jetzt zum Schluss war es mir ein bisschen zu oberflächlich, ich wäre bei manchem Thema gern mehr in die Tiefe gegangen und bei so einen Buch kann man leider keine Fragen stellen. 😉 Worauf ich hinauswill: Ich glaube Schreibende, die noch am Anfang stehen mit ihren Projekten und Veröffentlichungen werden hier wirklich gute Tipps, Übungen und Anregungen finden. Wer aber schon ein paar Schreibprojekte bewältigt hat, findet wenig Neues. Ich habe mir noch ein paar Notizen gemacht, vor allem Themen, die ich wie gesagt, vertiefen will, samt Links und weiterführenden Infos. Ich bin also noch nicht fertig mit der Arbeit. Ich kann die aber Reihe herzlich weiter empfehlen, inzwischen habe ich auch ihren Podcast (zusammen mit Wolfgang Tischer) entdeckt und abonniert, da geht es weiter mit Tipps und Tricks. Das gefällt mir sehr, es geht also weiter. ⭐️⭐️⭐️⭐️
Heute schon geschrieben? (Reihe in 10 Bänden) Diana Hillebrand Band 8, 9 und 10 Dotbooks Verlag eBuch
Ich glaube, die Erdmannhausener sind ein besonderes Völkchen. Wir Shorties sind ein bis zwei Mal im Jahr hier zu Gast und es scheint mir, die Leute haben unheimlich große Lust auf ihre Ortsbücherei und auf unsere Veranstaltung. Sie machen jedes Mal das Haus voll und kommen schon in guter Stimmung an. Wir machen unser Programm, in der Pause wird noch der Büchertisch leer gekauft, wir führen schöne Gespräche, Erdmannhausen ist jedes Mal wieder schön. Und wir Shorties stürzen uns bei jedem Besuch auf die Flohmarktartikel, ich habe 3 Hörbücher mitgenommen, Ingo und ich diskutieren immer aus, wer welches Buch haben darf, das muss ja gerecht zugehen. Im Stapel der Print-Bücher entdeckte ich einen meiner Lieblinge, das habe ich schon daheim, als Print und Hörbuch, aber das kann ich doch da nicht auf dem Flohmarkt-Tisch liegen lassen – ich hadere mit mir. Der Trend geht doch zum Zweitbuch, oder? Rainer schnappt sich das Buch und sagt: „Wenn du das Buch magst, dann muss ich es lesen“ und ich bin glücklich, dass Dörte Hansen ein gutes, neues Zuhause gefunden hat. Solche Momente, das macht mir Spaß.
Der Freitag war in seiner Gesamtheit unfassbar Scheiße. Ich habe mit Schwester Innerlich noch diskutiert. Soll ich, oder soll ich nicht fahren? Aber Erdmannhausen, das ist doch immer so toll. Also fuhr ich. Ich hörte das Hörbuch „Der Wind in den Weiden“, gelesen von Harry Rowohlt. Ich war schon weit hinter Rottweil bis der Stress, der Druck, das miese Gefühl in der Magengegend endlich nachließ. Angekommen war ich froh, dass mich die Scheißigkeit des aktuellen Alltags nicht abhalten konnte. Die KollegInnen, die Lesebühne, das Publikum, das hat sich wieder gelohnt. Dieses AutorInnenleben, das macht ganz viele Schäden, die der Alltag anrichtet, wieder gut. Hach.
Dieses Buch hallt noch nach, ich überlege, es gleich noch mal zu lesen. Aber vermutlich werde ich nie ganz begreifen, wie Ausschwitz existieren oder wie Menschen diesen Ort überleben konnten. Heiners Geschichte macht klar: Er lebt, aber dem Grauen entkommt er nicht.
Ich habe mich das schon oft gefragt: Wie schafft man das? Wie findet man seinen Weg in ein normales Leben? Heiraten, Kinder kriegen, Freundschaften pflegen, einen Beruf ausüben, vielleicht ständig Erinnerungen und Tätern begegnen?
Heiner hat Ausschwitz überlebt. Jahre später muss er vor Gericht aussagen. Allein der Unterschied zwischen dem, was er erlebt hat, wie er sich daran erinnert, und wie Anwälte und Richter ihre Fragen stellen, was sie für Fakten, Zahlen, Beweise wollen… es ist ein Irrsinn. Das, was Heiner sagen will, und das was er antworten muss, ist kaum zu ertragen. Im Flur vor dem Gerichtssaal sackt er zusammen und begegnet Lena. Sie verlieben sich, kaum zu glauben. Heiner muss reden, muss erzählen, er bringt seine Vergangenheit und sein Trauma mit in die Beziehung. Ein Senfglas voller Knochenstaub immer dabei. Für mich ist das völlig logisch, dieses Glas; das er daran festhält. Die Frage ist: Reicht Liebe aus, um damit zurechtzukommen? Lena kämpft, um sich nicht zu verlieren. Sie muss Publikum sein, Zuhörerin, weil sie es nicht erlebt hat, diesen Schmerz, und ausgeschlossen bleibt.
Die Vergangenheit streckt immer wieder ihre kalten Finger in die Gegenwart hinein, es geht um Ausschwitz damals und heute, aber vor allem um Heiner und Lena, eine wahnsinnige Geschichte. Ich musste das Buch alle 30 Seiten beiseitelegen, nachdenken, manches, weil ich es nicht parat habe, recherchieren, nachlesen, begreifen versuchen. Ich empfehle das Buch, das ist tatsächlich, meiner Meinung nach ein must-read. ★★★★★
Ich vernachlässige meine sozialen Kanäle gerade, weil Offline so viel los ist. Aber lesen bzw Hörbücher lauschen während langer Autofahrten tue ich natürlich trotzdem. Letzte Woche habe ich Christie Malrys doppelte Buchführung gehört, aber leider war das überhaupt nicht mein Fall. Zum einen mag ich Martin Semmelrogge als Sprecher nicht. Der fing noch halbwegs frisch und deutlich an, und je länger das Drama dauerte um so mehr nuschelte und knurrte er sich durch die Geschichte. Da bin ich leider nicht in der Zielgruppe. Und die Geschichte ist simpel; Christie findet, alle sind gemein zu ihm. Er rechnet in seiner Buchführung mit jedem und allem ab und nimmt sich, was ihm zusteht. Sein eigenes Soll sieht er dabei nicht und ich bin müde. Diese Denkweise habe ich zu oft gesehen/gelesen/gehört. Ich hab das satt. Das Buch mag clever und böse und witzig sein, mich erreicht das nicht. Christie ist ein unsympathischer, selbstgerechter Schwachkopf. ⭐️⭐️⭐️
Heute hat John Irving Geburtstag und es ist Donnerstag. Also eine prima Gegenheit mal wieder eine Rezension von einem früheren Werk zu teilen. Hier ist meine Rezesnion zu „Staße der Wunder“.
~Caro
John Irving – Straße der Wunder
John Irving hält, einem Zirkusartisten gleich, wahnsinnig viele Bälle in der Luft. Er tut das gekonnt, er tut das brillant. Er lässt keinen Ball fallen. Als Leserin muss ich mitdenken, meine Augen dauernd auf seinen Trick gerichtet lassen.
Wir sind die Wundersamen.
Irving mag Dickens. Das ist bekannt. „Die Weihnachtsgeschichte“ erwähnt er mit keinem Wort und doch ist „Straße der Wunder“ vom Geist der Vergangenheit, vom Geist der Gegenwart und vom Geist der Zukunft durchwirkt.
Juan Diego wird heimgesucht, von diesen drei, die in ihren Zeitebenen hin und her springen, Traum und Wirklichkeit verschwimmen lassen. John Irving ist ein Zirkuskind, das seine Tricks verrät. Ständig teilt er mir als Leserin mit, wie er es macht, wie er mich manipuliert und dran kriegt und doch kann ich meine Augen nicht abwenden, obwohl ich weiß, dass es ein Trick ist.
Hinter jeder Reise steckt ein Grund.
Ich sehe die Zusammenhänge, auf irgendeiner Ebene meines Bewusstseins verstehe ich die Verbindung zwischen dem Artistenmädchen, dem Wunder Dolores und Dorothy, die Tochter, die den Schriftsteller verführt. Ich weiß, dass Dorothy im Prinzip die Liebe Frau von Guadalupe ist. Ich weiß auch, das Miriam das Monster Maria ist. Meistens weiß ich, wann Juan Diego träumt und wann nicht. Manchmal spielt es aber gar keine Rolle. Alles verschwimmt. Alles ist verbunden. Es ist nie ganz klar ob die zwei Frauen wirklich existieren oder nur in der Einbildung des Schriftstellers. Es gibt wieder wahnwitzige und schnelle Dialoge, das perfekt choreografierte Chaos.
In jedem Leben kommt ein Augenblick, wo man loslassen muss – mit beiden Händen.
John Irving entfaltet seine Charaktere langsam, er braucht seine Zeit. Er ist ein langsamer Schreiber. Und er entfaltet das Ende, schon hundert Seiten vor Schluss. Die Stimmung ändert sich: Eine Geschichte enden lassen, das kann er verdammt gut. Ich weiß was kommt. Ich sehe es. Er sagt mir ja, was er da mit mir macht. Trotzdem oder deswegen haut es mich um. Und dann lässt er mich zurück in dieser Stimmung, traurig und hoffnungsvoll zugleich. Das kann keiner so gut wie er. Das Buch hat seine Längen, es kommt sehr viel Sex und Glaube darin vor. Aber wäre es nicht so, es wäre kein Irving-Roman.
Wir müssen nicht erklären, was ein Wunder ist oder nicht ist – wir haben es gesehen.
Lupe, diese shakespearesche Hexe des Schicksals; die Motive in Irvings Romanen mögen bekannt sein und doch ist hier so einiges anders. Ich will nicht zu viel verraten, ich habe eh schon wild gespoilert. Sorry.
Straße der Wunder ist eine Mischung aus Gottes Werk, Zirkuskind, Dickens und Shakespeare. Juan Diego tritt eine Reise an, die er lange aufgeschoben und letztlich nicht selbst organisiert hat. Jedes Mal, wenn er die Augen schließt, ist er wieder 14, zurück in Mexiko und erlebt die Geschichte, wie er da raus gekommen ist. Es ist die Geschichte, wie aus dem Müllkippenkind ein Schriftsteller wird.
Seine letzte Chance aus Litauen raus zu kommen.
Juan Diego hat Zeit geschenkt bekommen und das Opfer war groß. Deshalb bin ich traurig und froh zugleich. Juan Diego ist im Irving Universum ein klein wenig anders. Er ist Schriftsteller, aber kein Vater. Er ist ein Zirkuskind, aber kein Artist. Er ist gläubig, aber nicht religiös. Er ist einsam, aber nicht allein. John Irving erzählt nichts einfach so. Alles hat am Schluss seinen richtigen Platz, kein Detail ist unnötig. Er ist ein Mann der Wiederholung, ein Mann der Details. Wer „Zirkuskind“ gelesen (und gemocht) hat, wird Martin wieder erkennen, den jesuitischen Zwillingsbruder und John D.
Juan Diego und John D. haben die selben Initialen. Zufall? Ich glaube nicht!
Es kommt einem so vor, als würde man eine lange Strecke zurücklegen, weil es anstrengend ist, aber im Grunde beackert man altes Terrain – man bleibt auf vertrautem Gebiet.
Einzig das deutsche Cover irritiert mich. Juan Diego und Lupe auf einem Fahrrad?
Es ist eine schicksalhafte Welt; das Unvermeidliche wirft seine dunklen Schatten voraus.
Juan Diego sagt, er schreibe nicht über sich. Nein, John Irving lässt Juan Diego sagen, er schreibe nicht über sich. Vermutlich ist das wahr und gleichzeitig nicht. Letztendlich ist es aber egal. Eine Autobiografie ist immer nur eine Seite der Geschichte. Sie ist unvollkommen in seiner Gesamtheit. Irving versucht alles unterzubringen, den Anfang, das Ende, die Hoffnung, alle unschönen Details, die Verwicklungen, die Unfälle und die Träume. Vor allem die Träume. In jedem Buch steckt auch die Anleitung wie er es gemacht hat, wie man ein Buch schreibt. Juan Diego und/oder John Irving dozieren gern. Und ich höre zu.
Autor: John Irving
Straße der Wunder
Übersetzer: Hans M. Herzog
Roman, Diogenes Verlag
Taschenbuch: 784 Seiten
ISBN-10 : 3257244126
ISBN-13: 978-3257244120
Originaltitel: Avenue of Mysteries
Klappentext:
Juan Diego und seine für alle anderen unverständlich sprechende Schwester Lupe sind Müllkippenkinder in Mexiko. Ihre einzige Überlebenschance: der Glaube an die eigenen Wunderkräfte. Denn Juan Diego kann fliegen und Geschichten erfinden, Lupe sogar die Zukunft voraussagen, insbesondere die ihres Bruders. Um ihn zu retten, riskiert sie alles. Verführerisch bunt, magisch und spannend erzählt: zwei junge Migranten auf der Suche nach einer Heimat in der Fremde und in der Literatur.
Ich hatte ein freies Stündchen, ein bisschen eher Feierabend und da bin ich in die Bücherei marschiert und etwas bei den Kinderbüchern eskaliert. Ich hab schon die Suchmaschine befragt und die Regale abgesucht, Graphic Novels suche ich vergebens, da gibt unsere örtliche Stadtbücherei wirklich nicht viel her. Ich vergleiche jetzt keine Graphic Novels mit Kinder-Bilderbüchern, aber ich finde der Weg ist nicht allzu weit, das passt schon – bebilderte Geschichten haben es mir angetan. Eigentlich war ich nur auf der Suche nach Alexander Steffensmeier. Der Online-Katalog behauptet nämlich, dass 13 Bücher über Lieselotte ausleihbar wären. (Ich glaube, ich habe an anderer Stelle schon meine Liebe für Listen ausgedrückt. Ich habe, nur als Beispiel, die Bücherei-Liste mit Stephen-King-Hörbüchern ganz gewissenhaft abgearbeitet, nun ist nur noch eines übrig, dass ich noch nicht gehört habe, dann habe ich diese Liste komplett erledigt.) Jedenfalls. Ich war auf der Suche nach Lieselotte, die scheint aber sehr beliebt zu sein, sie war 12 Mal ausgeliehen. Tja, „Lieselotte lauert“ habe ich noch gleich in der Bücherei gelesen und leise vor mich hingekichert. Und dann habe ich, weil ich eh grad da war, noch ganz viele andere Sachen beschmöckert. Es passen gar nicht alle Bücher aufs Bild.
Celine Santini – Kintsugi ⭐️⭐️⭐️
Charlotte Blum – Das Fräulein vom Amt / Die Tote im Kurhaus (eBook) ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Emily Gravett – Noch Mal! ⭐️⭐️⭐️⭐️
Michelle Knudsen, Kevin Hawkes – Ein Löwe in der Bibliothek ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Catherine Rayner – Humboldt der kleine Hase mit den großen Füßen ⭐️⭐️⭐️⭐️
Alexander Steffensmeier – Lieselotte lauert ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Britta Sabbag – Die kleine Hummel Bommel sucht das Glück ⭐️⭐️⭐️⭐️
Astrid Lindgren – Im Wald sind keine Räuber ⭐️⭐️⭐️
Astrid Lindgren – Natürlich ist Lotta ein fröhliches Kind ⭐️⭐️⭐️⭐️
Ulf Nilsson – Kommissar Gordon. Der letzte Fall? ⭐️⭐️⭐️ [Rezension]
Johanna Schließer – Interview mit einem Drachen ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Kintsugi
Das Buch konnte mich leider nicht überzeugen. Da ist viel Info-Dump drin. Aber ein Ratschlag wie: „Geh mal zum Yoga“ kann mir auch meine Nachbarin geben. Positiv finde ich, dass die Methode #Kintsugi erklärt und vorgestellt wird, und das ganze Buch ist sehr hübsch aufgemacht. Also das Layout mit Bildern und Zitaten und all das. Letztlich habe ich das Buch genau deshalb gekauft. Weil es schön aussah. Aber das wissen wir ja längst. Aussehen ist nicht alles, gell. 😏
Oben Erde, unten Himmel
Eigentlich ist das ein ganz wunderbarer Roman. Der hat alles, was ich für mein Lesevergnügen brauche. Es gibt ein Aber, aber der Reihe nach. Ich weiß nicht, ob es einen deutschen Begriff dafür gibt, im japanischen heißt es Kodokushi, wenn jemand einsam und allein stirbt und vielleicht wochen- oder monatelang nicht gefunden wird.
Suzu, die Hauptfigur dieses Romans ist ledig, lebt zurückgezogen mit einem Hamster und das Leben meint es nicht besonders gut mit ihr. Sie scheitert in der Liebe, spürt einen enormen Druck der Eltern etwas mit ihrem Leben anzufangen, Freunde hat sie auch keine und wie man als Erwachsene welche findet, ist ihr ein Rätsel. Sie verliert ihren Job und landet ausgerechnet bei einer Firma als Reinigungskraft, die sich auf Kodokushi-Fälle spezialisiert hat. Hier findet sie… Verbundenheit. Die Wohnungen müssen geputzt, die Habseligkeiten ausgeräumt, die Spuren eines ganzen Lebens beseitigt werden. Es ist ein Knochenjob. Diese Tätigkeit, die Arbeitskollegen, ihre Umstände verändern sie. Ich will gar nicht zuviel verraten. Die Geschichte geht der Frage nach, wann man jemandes Privatsphäre wahrt, wann man sich einmischt und hilft, sich für jemanden interessiert, wie man auf andere zugeht. Oder in Suzus Fall, auch einfach mal zulässt, dass andere sich für sie interessieren und Teil ihres Lebens sein wollen. Nähe und Distanz, ein Raum dazwischen. Und jetzt kommt das Aber. Weite Strecken des Romans sind im Telling erzählt. (Alle Schreibenden kriegen irgendwann einmal den Rat: Show, don´t tell). Jedenfalls. Ich musste mich an diese Erzählform erst gewöhnen und finde es schade, dass dadurch eine große Distanz zu den Figuren und zur Handlung entsteht. Ein Beispiel: Der Chef von Suzu, Herr Sakai, war nicht immer der Leiter seiner Kodokushi-Agentur. Es gab ein davor. Das Fräulein Suzu und Herr Sakai unterhalten sich darüber, er erzählt also in einem kurzen Abriss, sachlich und ohne das ich es sehen könnte, wie seine Umstände waren und ihn hier an diesen Punkt geführt haben. Das hat mich, weil es komplett heruntergeleiert wird, null berührt. Dabei ist seine Geschichte mindestens so interessant wie die von Suzu. Ich habe das Buch unheimlich gerne gelesen, ich empfehle es auch herzlich weiter. Aber ich, sujektiv, singular, finde es schade dass nicht alle Szenen so schön und ausführlich erzählt sind wie Suzus erste Begegnung mit Mrs. Langfinger im Badehaus. Da habe ich quasi mit den Frauen im heißen Wasser gesessen – die Autorin kann es offensichtlich. Ganz nah hingehen. Ich hätte mich getraut, auch bei anderen Gelegenheiten näher an die Figuren heranzutreten. Aber das ist wohl auch Teil der Geschichte. Nähe und Distanz. Was man zulässt, was man möchte, was nicht.
Wiener Straße
Das Buch hat den Sound und das Tempo von Sven Regener, ich kann jetzt wohl behaupten, dass das sein Ding ist, diese irren Dialoge und diese komischen „Typies“. Es hat eigentlich alles, was mich begeistert, aber ich habe letzten Monat „Magical Mystery“ gehört, da kommt Karl Schmidt auch drin vor, auch schrullig und sympathisch und all das. Aber hier wirken Figuren und Handlung irgendwie blaß. Die rennen kopflos herum, ich weiß lange nicht, wo die Reise hingehen soll, Kunst und all der Kram, wer den letztlich in der Kneipe arbeitet und Geld verdient mit dem blöden Kuchen. Und so wie ich in die Geschichte rein gestolpert bin, ohne rechten Anfang, fiel ich auch wieder raus, ohne rechtes Ende und all das lässt mich etwas ratlos zurück. Zwischendurch, da hatte ich schon schon Spaß, seitenlange Unterhaltungen über eine Kaffeemaschine, das kann wohl auch nur Sven Regener, da habe ich mich amüsiert und so. Aber so toll wie Magical Mystery war´s halt nicht und deshalb war ich etwas enttäuscht. Hm.
Interview mit einem Drachen
Wir erinnern uns doch alle an das Interview mit einem Vampir, oder? Tom Cruise, ein sehr junger Brad Pitt, und dieser Grusel, der ein bisschen kitzelt. Neulich habe ich diese kleine Kurzgeschichte von Johanna Schließer gelesen, bei dem Titel wild assoziiert und Kallestrus wird als attraktiv beschrieben, also wer kann es mir verdenken? Jedenfalls. Das Booklet ist ein Teaser, der Lust macht auf mehr. Nämlich die Geschichte von Kallestrus in #Drachenfeuerjagd
Im Interview erfahren wir interessante Dinge, zum Beispiel was Gold mit Hygiene zu tun hat und woher das ganze Gold überhaupt stammt. Die Interview-Partnerin schreibt für eine Zeitung und geht den wichtigen Fragen nach: Gibt es Drachen überhaupt (Ja, klar!) und leben die mitten unter uns ohne, dass wir es merken? Uff.
Drachen, also den Mythos um diese magischen Wesen gibt es wohl schon so lange wie sich Menschen Geschichten erzählen. Ich für meinen Teil vertrete ja die steile Theorie, dass die Menschen jedes Mal wenn sie einen Dinosaurier-Knochen ausgegraben haben – und das muss ja über die Jahrtausende hinweg einige Male vorgekommen sein – sie sich gar nichts anderes vorstellen konnten als Drachen. Wilde, große Tiere mit Flügeln, Reißzähnen, nie gesehen. Bitte, an was würdest du denken? Eben.
Jedenfalls. Ich habe mich mit dieser Kurzgeschichte sehr amüsiert, Drachenfeuerjagd habe ich auch schon gelesen und kann es herzlich weiter empfehlen.
Mein Highlight diesen Monat war „Das Fräulein vom Amt. Der Tote im Kurhaus“. Das ist schon der zweite Band aus der Feder des AutorinnenDuos Charlotte Blum. Ich finde, das ist eine sehr gelungene Fortsetzung und sobald ich die Zeit dazu finde, schreibe ich noch eine ordentliche Rezension dazu, so wie zu Band 1. ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️ Es war sehr schön, Emmi und Alma wieder zu begegnen. Ein erneuter Mord in Baden-Baden zwingt Alma sich wieder in die Ermittlungen einzumischen und es ist gleichermaßen spannend zu sehen, wer da wen ermordet hat bzw. ob und wie es Alma schafft den Konventionen der 20er Jahre zu trotzen.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ich glaube aber, dass ich 2007 mit dem Joggen angefangen habe. Unser „Lauftreff“ hat auch einen Newsletter, der Gruppenleiter fragte nach Highlights, fragte nach Texten für den Newsletter, ob nicht jemand was beitragen möchte. In schriftlicher Form will ich immer, also habe ich einen Text geschrieben, ich weiß nicht, aus welchem Jahr dieses Highlight stammt, vielleicht ist es auch egal. Jedenfalls.
Mein Highlight war – und das darf ich eigentlich gar nicht laut sagen – ein Unwetter. Ein richtiges Juli-Gewitter. Der Himmel war schon schwarz, als ich vor die Haustür trat und Silvana und ich spekulierten noch im Auto, ob das heute eine gute Idee wäre. Sie schaute auf ihre schlaue Uhr und prophezeite: „Um 19 Uhr regnet es.“ Und auf Silvanas schlaue Uhr ist Verlass, das weiß jeder.
Wir gingen also davon aus, dass wir nass werden würden, aber da wir nicht aus Zucker sind und beide große Lust hatten joggen zu gehen, gingen wir das Risiko ein. Die Gruppe auf dem Berg war entsprechend klein, die Wolkenfront hatte viele abgeschreckt. Silvanas Uhr prophezeite noch einmal, wie ein digitaler Nostradamus, Regen. 19 Uhr! Die Gymnastik fiel aus. Wie schade.
Silvana und ich wählten eine kürzere Route aus, um im Fall der Fälle schnell zurück zum Parkplatz zu kommen. Der Wind pfiff uns ordentlich um die Ohren – die Bäume rauschten im Wind wie die aufgepeitschte Ostsee an einem Novembertag. Entsprechend dunkel war es auch. Wir joggten frohen Mutes los; ein bisschen Wasser von oben, das schadet doch nicht!?
Es wurde noch dunkler, noch windiger, wir waren grade auf dem Weg runter Richtung „Bahnhof“. Silvana schlug vor, noch vor dem Bahnhof linker Hand wieder hoch und zurück zu laufen, es war 18 Uhr 57. Ganze drei Minuten zu früh! Nostradamus´ Voraussagen waren ja noch nie sehr präzise gewesen. Es fielen die ersten, schweren Tropfen. Mir tat es leid, ich hatte sie überredet Laufen zu gehen und nun würden wir ordentlich nass werden, bis zum Parkplatz war es noch ein ganzes Stück.
Während wir den Buckel hoch trabten, kreuzten drei Rehe unseren Weg. Ich kenne mich nicht aus, die drei waren klein, vielleicht waren es noch Kitze. Sie stutzten, guckten uns erstaunt an und wir sie. Sie hopsten dann weiter, wie junge Rehe das eben tun, schnell weg, das Unwetter ist da. Und da brach es los. Regen von oben, von der Seite, gefühlt von unten auch irgendwie. Innerhalb weniger Minuten waren wir nass – so nass wie man wird, wenn man mit seinen Klamotten in einen See springt. Schwer und kalt. In den Schuhen quatschte es, auf der Regenjacke dröpelte das Wasser und sickerte schnell durch. Regendicht? Fehlanzeige. Ich war noch selten so nass in meinem Leben. Den Buckel hatten wir bald geschafft, wir mussten rechts abbiegen, zurück zum Parkplatz. Ich dachte an Silvanas Auto und an uns, nass bis auf die Unterhose. Es donnerte, blitzte, wir waren mitten drin. Eigentlich saugefährlich. Der Wind riss an den Bäumen, die Waldwege waren ganz grün bedeckt; Blätter, Äste, tiefe Pfützen. Wie gut, dass meine Füße schon nass waren, ich hätte ja fluchen müssen bei jedem Schritt.
Silvana zog das Tempo an, wir joggten nicht mehr mit sportlichem Ehrgeiz, wir rannten dem Unwetter davon und auch entgegen. Ich habe mich lebendig gefühlt, als Teil von allem. Es war großartig. Von den anderen war niemand zu sehen. Ich war hinter Silvana, traute mich gar nicht zu sagen, wie toll ich es fand so der Natur ausgesetzt zu sein. Daheim, im Trockenen hätte ich mir das alles am Fenster stehend angeschaut, aber keinen Fuß vor die Tür gesetzt – und wenn mir der Hund auf den Teppich pinkelt. Doch hier kam mir der Parkplatz viel zu schnell in Sichtweite. Gleichzeitig: Schnell weg aus der Gefahrenzone. Nachher werden wir noch vom Blitz getroffen. Oder ein Baum fällt uns auf den Kopf. Wäre ja schade um uns; dumm und leichtsinnig wie wir waren.
Kurz dachte ich noch an die drei Rehkitze. Dann erreichten wir endlich Silvanas kleinen Flitzer. Ledersitze. Die kann man trockenreiben, später. Das geht gut, dachte ich pragmatisch.
Erleichtert saßen wir im Auto, dampften die Scheiben zu, atmeten kurz durch. Das Unwetter tobte weiter um uns herum, die Regentropfen klopften aufs Dach, als wollten sie hereingelassen werden.
Ich habe den Film als Kind gesehen und die Szene mit der Ratte im Käfig hat mich nachhaltig verstört. Daher habe ich viele Jahre einen Bogen um das Buch gemacht. Erst jetzt, nach vielfacher Empfehlung wagte ich mich an die Lektüre. Und ich staune. Dieser Roman wurde 1949 veröffentlicht. George Orwell schrieb, schwer krank, mit dem Zweiten Weltkrieg im Nacken, eine Zukunft, die ich kaum fassen kann. Ich versuche mir vorzustellen, wie er gearbeitet, wie er sich Winston Smith ausgedacht hat. Ich müsste erst recherchieren, wo er, George Orwell, während des Krieges gewesen ist, was er getan hat. Eindeutig ist, dass er verstanden hat, was Krieg mit den Menschen macht, wie sich die Sprache verändert und damit das Denken.
Ich weiß gar nicht so genau, was dieses Buch mit mir macht. Ich werde darüber noch nachdenken müssen. Es ist unfassbar gut, es ist gruselig. Es ist aktuell, ich verstehe vieles, nicht alles. Es regt mich zum Denken an, es macht mir Angst. Ich muss es nochmal lesen um all diese klugen, komplexen Gedanken zu ordnen. Im Moment ist es ist ein Aha-Erlebnis und ein großes Fragezeichen gleichzeitig. Winston, der Große Bruder, Neusprech. Man muss das Buch ja gar nicht gelesen haben… all diese Begrifflichkeit sind im alltäglichen Sprachgebrauch zu finden. Ob sie nun „richtig“ eingesetzt werden mag ich bezweifeln. Das Motiv des Romans lautet: bloß nicht selber denken, gehorchen, nichts in Frage stellen, und vielleicht am Wichtigsten: Mit niemandem eine Verbindung einzugehen. Es gilt als erklärtes Ziel jede Beziehung zu verhindern. Keine Liebe, kein Vertrauen, keine Gemeinschaft: Paare, Freunde, Eltern und Kinder. Jeder ist allein.
Deshalb funktioniert dieses Regime. Die Partei ist alles, der einzelne nichts. Ob ich den Film noch mal anschaue weiß ich nicht. Eher nicht. Das ist mir zu heftig.
Ein neues Projekt, eine neue Liste. Die Schreibratgeber-Reihe von Diana Hillebrand umfasst 10 Bände, wenn ich mich nicht irre, habe ich davon schon 7 gelesen und teilweise rezensiert. So wie meine Duden-Reihe „Kreatives Schreiben„, will ich auch hier alle Bände lesen, rezensieren und wenn es angebracht ist, weiter empfehlen. Das hier ist meine Übersicht. Arbeitest du auch mit diesen Büchern? Wie sind deine Erfahrungen?
Diana Hillebrand
Band 1
Ideen finden und strukturieren
Ich möchte diese Geschichte mögen. Doch, wirklich. Kommissar Gordon und seine Assistentin Buffy sind herzig. Im Wald, da geschehen merkwürdige Dinge. Andere Tiere werden geärgert, Kinder werden ausgeschlossen, so geht das nicht: Da muss ermittelt werden. Das ist ein großes Plus an der Geschichte. Ganz leicht wird da Polizeiarbeit vermittelt. Während Kommissar Gordon nachdenkt und der Grenze zwischen Gut und Böse nachfühlt, stürzt sich Buffy in die Ermittlungen. Unauffällig soll sie Befragungen durchführen, doch niemand traut sich so Recht eine Aussage zu machen. Ich finde schön mit wie viel Herz die beiden miteiander umgehen. Gordon empfindet ganz viel Liebe für Buffy und unterstützt sie wo er kann. Und sein Unrechts-Empfinden sagt ganz klar: Gemein sein geht gar nicht. Kinder ausgrenzen sowieso nicht. Und so gehen die Zwei, jeder auf seine Art, seinen Stärken entsprechend, ans Werk. Aber. Und jetzt muss ich ein bisschen meckern. Aber, zwei Sachen gefallen mir nicht.
Kommissar Gordon ist eine Kröte, er ist unförmig und verfressen. Damit kann ich gut leben. In einer Szene tut er sich weh, er weint, dann schämt er sich, und dann futtert er 8 Muffins um seinen Kummer damit herunter zu schlucken. Ich muss dazu sagen, dass mich die Disskussionen in den letzten Monaten genervt haben. Bücher, die 20 oder 50 oder sogar 100 Jahre alt sind, werden kritisiert, dass sie nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechen. Wir haben uns weiter entwickelt und Begrifflichkeiten, Umgangsformen etc. haben sich verändert. Alles gut soweit. Dieses Buch ist 2015 erschienen und ich verstehe nicht, warum in der eben beschriebenen Szene nicht steht: „Weine ruhig, du hast dir weh getan, da muss man sich nicht schämen. Und den Muffin, den kannst du auch essen, aber während du das tust, erzählst du mir, was los ist.“ Buffy, die ein sehr einfühsames Mäuse-Mädchen ist, würde meiner Meinung nach, sowas sagen. So eine Aussage würde perfekt in ihren Mund passen. Weil, während ihrer Ermittlungen im Wald, tut sie genau das. Nur der alte Kommissar, der bleibt mit seinem Kummer allein, frisst ihn in sich hinein. Schade, hier ist eine große Chance es besser zu machen, verschenkt worden.
Achtung Spoiler. Das Team ermittelt die Täter, nennt auch ganz kurz Gründe, und Kommissar Gorden löst den Konflikt auf. Für meinen Geschmack fehlen mir hier ein oder zwei zusätzliche Ergänzungen. Ich finde es von Kindern, die das Buch lesen, viel verlangt, zu begreifen, was Kommissar Gordon da gemacht hat. Auf den ersten Blick sieht es nämlich aus, als würden die beiden Täter ungeschoren davon kommen. Tun sie nicht. Auch die Motive kommen mir ein bisschen zu kurz. Ich sehe ein, die Bestrafung eines Täters ist nicht Polizeiarbeit, das ist eine andere Institution. Aber Buffy war dem Motiv auf der Spur, das wird ann aber kurz und knapp abgehandelt. Zwei Sätze mehr dazu hätten diese schöne Geschichte rund und hübsch gemacht. Daher nur ★★★