#THROWBACKTHURSDAY

Ich bin mir nicht ganz sicher, ich glaube aber, dass ich 2007 mit dem Joggen angefangen habe. Unser „Lauftreff“ hat auch einen Newsletter, der Gruppenleiter fragte nach Highlights, fragte nach Texten für den Newsletter, ob nicht jemand was beitragen möchte. In schriftlicher Form will ich immer, also habe ich einen Text geschrieben, ich weiß nicht, aus welchem Jahr dieses Highlight stammt, vielleicht ist es auch egal. Jedenfalls.
Mein Highlight war – und das darf ich eigentlich gar nicht laut sagen – ein Unwetter. Ein richtiges Juli-Gewitter. Der Himmel war schon schwarz, als ich vor die Haustür trat und Silvana und ich spekulierten noch im Auto, ob das heute eine gute Idee wäre. Sie schaute auf ihre schlaue Uhr und prophezeite: „Um 19 Uhr regnet es.“ Und auf Silvanas schlaue Uhr ist Verlass, das weiß jeder.
Wir gingen also davon aus, dass wir nass werden würden, aber da wir nicht aus Zucker sind und beide große Lust hatten joggen zu gehen, gingen wir das Risiko ein. Die Gruppe auf dem Berg war entsprechend klein, die Wolkenfront hatte viele abgeschreckt. Silvanas Uhr prophezeite noch einmal, wie ein digitaler Nostradamus, Regen. 19 Uhr! Die Gymnastik fiel aus. Wie schade.
Silvana und ich wählten eine kürzere Route aus, um im Fall der Fälle schnell zurück zum Parkplatz zu kommen. Der Wind pfiff uns ordentlich um die Ohren – die Bäume rauschten im Wind wie die aufgepeitschte Ostsee an einem Novembertag. Entsprechend dunkel war es auch. Wir joggten frohen Mutes los; ein bisschen Wasser von oben, das schadet doch nicht!?
Es wurde noch dunkler, noch windiger, wir waren grade auf dem Weg runter Richtung „Bahnhof“. Silvana schlug vor, noch vor dem Bahnhof linker Hand wieder hoch und zurück zu laufen, es war 18 Uhr 57. Ganze drei Minuten zu früh! Nostradamus´ Voraussagen waren ja noch nie sehr präzise gewesen. Es fielen die ersten, schweren Tropfen. Mir tat es leid, ich hatte sie überredet Laufen zu gehen und nun würden wir ordentlich nass werden, bis zum Parkplatz war es noch ein ganzes Stück.
Während wir den Buckel hoch trabten, kreuzten drei Rehe unseren Weg. Ich kenne mich nicht aus, die drei waren klein, vielleicht waren es noch Kitze. Sie stutzten, guckten uns erstaunt an und wir sie. Sie hopsten dann weiter, wie junge Rehe das eben tun, schnell weg, das Unwetter ist da. Und da brach es los. Regen von oben, von der Seite, gefühlt von unten auch irgendwie. Innerhalb weniger Minuten waren wir nass – so nass wie man wird, wenn man mit seinen Klamotten in einen See springt. Schwer und kalt. In den Schuhen quatschte es, auf der Regenjacke dröpelte das Wasser und sickerte schnell durch. Regendicht? Fehlanzeige. Ich war noch selten so nass in meinem Leben. Den Buckel hatten wir bald geschafft, wir mussten rechts abbiegen, zurück zum Parkplatz. Ich dachte an Silvanas Auto und an uns, nass bis auf die Unterhose. Es donnerte, blitzte, wir waren mitten drin. Eigentlich saugefährlich. Der Wind riss an den Bäumen, die Waldwege waren ganz grün bedeckt; Blätter, Äste, tiefe Pfützen. Wie gut, dass meine Füße schon nass waren, ich hätte ja fluchen müssen bei jedem Schritt.
Silvana zog das Tempo an, wir joggten nicht mehr mit sportlichem Ehrgeiz, wir rannten dem Unwetter davon und auch entgegen. Ich habe mich lebendig gefühlt, als Teil von allem. Es war großartig. Von den anderen war niemand zu sehen. Ich war hinter Silvana, traute mich gar nicht zu sagen, wie toll ich es fand so der Natur ausgesetzt zu sein. Daheim, im Trockenen hätte ich mir das alles am Fenster stehend angeschaut, aber keinen Fuß vor die Tür gesetzt – und wenn mir der Hund auf den Teppich pinkelt. Doch hier kam mir der Parkplatz viel zu schnell in Sichtweite. Gleichzeitig: Schnell weg aus der Gefahrenzone. Nachher werden wir noch vom Blitz getroffen. Oder ein Baum fällt uns auf den Kopf. Wäre ja schade um uns; dumm und leichtsinnig wie wir waren.
Kurz dachte ich noch an die drei Rehkitze. Dann erreichten wir endlich Silvanas kleinen Flitzer. Ledersitze. Die kann man trockenreiben, später. Das geht gut, dachte ich pragmatisch.
Erleichtert saßen wir im Auto, dampften die Scheiben zu, atmeten kurz durch. Das Unwetter tobte weiter um uns herum, die Regentropfen klopften aufs Dach, als wollten sie hereingelassen werden.
„Ein Wahnsinn.“
„Unheimlich toll.“
„Aber jetzt schnell heim.“