
Es ist Dezember, da kann man gut einen Blick aufs vergangene Jahr werfen und zu dem Schluß kommen: Das hier war das beste Buch, dass ich dieses Jahr gelesen habe! (Egal, was ich die nächsten zwei Wochen noch in die Finger kriege, ich bleibe dabei.) „Zur See“ habe ich als Print und als Hörbuch inhaliert, weil ein Mal lesen und nur in gedruckter Form nicht ausgereicht hat. Der Roman hat Sound und ist sprachlich so schön, ich möchte das ganze Ding mit Bleistift unterstreichen. Hab ich natürlich nicht gemacht. Statt dessen habe ich mir von Nina Hoss vorlesen lassen, das war noch schöner. Ich will gar nicht auf den Inhalt eingehen, dafür ist der Klappentext da. Ich will erzählen, was das Buch mit mir gemacht hat. Ich mag sie alle, diese verrückten, einsamen, gescheiterten Gestalten. Eigentlich müsste das total hoffnungslos wirken, was da passiert, auf dieser Nordseeinsel. Der gestrandete Wal und der Pastor, der an seinem Glauben zweifelt. Ryckmer, der zu viel trinkt und seine Mutter, die nie am Hafen steht und aufs Meer raus schaut. Selbst der komische Kauz, der gern ein Vogel wär, so scheint es mir, flügge wird und dann nach zwanzig Jahren irgendwie in sein Nest zurück schleicht. Dörte Hansen hat mich kalt erwischt. Jeder Satz deutet auf das Ende hin, es ist keiner zu viel, keiner zu wenig, die Geschichte wirkt wie ein grob gestrickter Seemannspullover. Er ist warm, kratzt aber nicht. Er ist grob aber mit feinen Details. Und obwohl ich meine zu wissen was kommt, obwohl ich meine vorbereitet zu sein wie Hanne und Eske, wie Rykmer und all die anderen. Sturmerprobt, unerschütterlich… Trotzdem hat es mich kalt erwischt. Auf gute Art, so wie nur Literatur das kann. Ich weiß nicht genau, warum ich das tröstlich fand. Ich hasse diesen vielzitierten Satz von Kafka. “Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Ich mag diesen Satz nicht, weil er für mich als Vielleserin impliziert, dass ich permanent mit einer Axt in mir herumhacke. Ich finde, in Büchern und Geschichten sollte es immer um die Einsamkeit des Einzelnen gehen, das Erzählte sollte Verbundenheit schaffen und Trost spenden. Und das hat „Zur See“ geschafft. Ich werde es noch mal lesen und weiter empfehlen und oft verschenken.
Ein Kommentar zu „Mein Jahreshighlight: Zur See“