Da kannst du was erzählen!

Ich war mit der buckligen Verwandtschaft auf Schloß Weitenburg um meinen Geburtstag zu feiern. Wer Geschwister hat, der kennt´s. Da herrschen gewachsene Strukturen, die sind unveränderlich, egal wie alt man wird. Brudi 1 ist der Anführer. Der sagt wo es lang geht. Brudi 2, das Sandwich-Kind hat es besonders schwer und lechzt nach Aufmerksamkeit. Ich, das Nesthäkchen, bin es gewohnt umsorgt zu werden. Sachen, die sich oben im Regal befinden, werden mir herunter gereicht, überhaupt werden mir oft Dinge gereicht. In der Eisdiele taucht immer, wie durch Zauberhand, eine Waffel mit meinen Lieblingssorten auf. Ich kann mich nicht erinnern, je ein Eis selber bezahlt zu haben. Aber ich schweife ab. 

Schloss Weitenburg ist oben. Das Neckartal ist unten. Völlig logisch, dass man diese Höhendifferenz zu Fuß überwinden muss. Zuhause rennen wir auf den Berg rauf, dann wieder runter. Die Prim ist wenig spektakulär. Hier rennen wir den Berg runter, dann wieder rauf, das Neckartal ist von oben schöner. Das hab ich als Klugscheißer der Familie schon vorher gewusst.

Brudi 1 befragt seine Freunde von Google, die sagen „Da lang“ und der Brudi 1 sagt „Hier ist ein Weg“ und wir schlagen uns durch. Dornengestrüpp, Brennnesseln, Wildschweine, freilaufende Golfer, uns schreckt nichts ab. Wir maulen nur mäßig, jedenfalls Bergab. Rauf sieht die Sache anders aus. Brudi 1 wird zum Schofseggel, für mich wird eine Trage gebaut, ich bin schon ganz verschwitzt und ermattet. Brudi 2 singt und erzählt Witze um die Truppenmoral aufrechtzuerhalten. Das war schon immer so, das bleibt. 

Mit Brudi 1 kommt man zu spät. Nein, wir haben uns nicht verlaufen, das war ein Abenteuer, das war Absicht. Wenn man zu seinem eigenen Fest zu spät kommt, kriegt man auch richtig viel Aufmerksamkeit, wenn man dann doch endlich auftaucht. Die Kratzer im Gesicht, die zerrissene Hose, die ausgekugelte Schulter – diese Lappalien waren das super Foto doch allemal wert. 

„Da kannst du was erzählen“, sagt Brudi 1. Ah ja, so bin ich also Schriftstellerin geworden. Es ist ein Wochenende voller Erkenntnisse. 

Schließlich sitzen wir dann doch endlich im Restaurant, zur „Tea Time“ wie ich es mir gewünscht habe. Sandwiches, Scones, Eclairs und Kuchen. Wir essen alles ratzeputz auf. Zahlt isch zahlt, gell. Es ist kaum peinlich, die Bedienung schaut nicht mal in ihrem Auftragsbuch nach unserem Namen um uns auf eine schwarze Liste zu setzen:

„Diese Sauplagen, nie wieder!“ Wir lassen tatsächlich nach. Ist wohl das Alter. Schlümm. 

In einem Monat feiern wir den nächsten runden Geburtstag. Das wird bestimmt toll. Dochdoch. 

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