Ich besitze so eine Lichtbox, du weißt schon, so ein Teil mit dem man „Carpe diem“ ins Wohnzimmer (oder wo auch immer das blöde Ding steht) brüllen kann. Ja, brüllen. Es findet ja alles mit Großbuchstaben statt. Und wenn man das nicht irgendwo rum stehen hat, vergisst man ja sein eigenes Lebensmotto (ganz schlümm) und verlottert nutzlos, weil ohne so eine permanente Erinnerung das Leben keinen Sinn ergibt. Jedenfalls. Meine Lichtbox steht auf dem Schreibtisch, erinnert mich daran, dass ich Schriftstellerin bin, also klug und kreativ und so. Neben klug und kreativ bin ich auch schusselig, ich hab das Ding runter geworfen. Hinter den Schreibtisch. Also zwischen Wand und Heizkörper klemmte dann die Prämisse meines Lebens. Ich hangle das Ding also wieder hervor. Dafür muss ich mich auf den Schreitisch knien, mit dem Kopf gegen die Wand dotzen und mit der Hand in ein Spinnenweben-Gewühl greifen um mein persönliches „Carpe diem“ zu retten. Soweit so gut. Die Lichtbox ist nicht kaputt, sie steht wieder auf dem Schreibtisch, aber es fehlt ein E. Mein innerer Monk kriegt Schnappatmung, so geht das nicht. Ich gucke also, ob ich in meinem Stapel Großbuchstaben noch ein E finde. Spoileralarm: Nein. Also muss ich das E hinter dem Schreitisch hervorholen. Der Schreibtisch ist groß und schwer und ich faul, ich will den nicht verschieben. Also bastele ich mir ein Werkzeug. Ich hab mal ein Video gesehen, das kennst du sicher: Affe im Zoo mit einem hohlen Stück Holz, in dem eine Leckerei steckt. Ich glaube, es war ein Schimpase, der hat sich mit einem Stöckchen beholfen, also ein Werkzeug benutzt um an das Futter zu kommen. Schlauer Affe.
Also dachte ich, bastel ich mir auch ein Werkzeug, schlau wie ich bin. Schnell hab ich einen passenden Besenstil gefunden, der lang genug ist, und habe dann ans Ende des Stils Klebeband gewickelt, um meinen Buchstaben hinter dem Schreibtisch einfach heraus zu angeln. Ganz einfach, also in der Theorie. Ich bin so klug und so kreativ und ach. An der Intelligenz fehlt es offensichtlich nicht, ich habe andere Defizite. Wieder kniete ich auf dem Schreibtisch, drückte den Kopf schräg an die Wand um gucken zu können, was sich in dem Niemandsland hinter dem Schreibtisch so tut. Ich stocherte mit meinem Besentil herum, knallte an den Heizkörper, schrammte an der Wand entlang, verklemmte das Ding schließlich zwischen Tisch und Heizung. Ich beförderte allerhand hervor: Staubflusen zum Beispiel. Und ein Spinnenbeinchen. Ja, nur eines. Und eine Reiszwecke. Sogar ein Lesezeichen, dass mir vermutlich 2008 da hinten runter gefallen ist. Aber kein großes E.
Auf der Liste meiner Talente stehen tolle Dinge. „Feinmotorik“ kann ich nicht hinzufügen. Aus Gründen. Am Schluß habe ich den großen und schweren Schreibtisch vorgezogen und mein E ganz gewöhnlich und ohne Werkzeug gerettet. Mein innerer Monk hat sich beruhigt, das Gebrüll ins Wohnzimmer ist wieder gramatikalisch richtig. Aber mein innerer Affe schüttelt beschämt den Kopf.
