Tag 1

Es gibt einige Plätze in London, die eine tolle Aussicht bieten. Breathtaking, würde der Engländer sagen. Und ich mag es den Überblick zu haben, so wie ich es mag Dinge zu durchschauen. Da spielt ein gewisses Maß an Arroganz mit, Überheblichkeit steckt auch in dem Kuchen drin, aber vor allem: Den Überblick haben. Ich mag die Weite des Himmels, das Erkennen von Details, wie manches ganz klein wird in der Ferne, weniger beängstigend und gleichzeitig wie die Größe der Welt mich still werden lässt, in meiner kleinen Bedeutungslosigkeit. Das ist nicht schlimm, im Gegenteil. Manchmal rückt mir das den Blick zurecht, wenn ich mich zu wichtig nehme. Ich mag Leuchttürme und hohe Gebäude, ich mag Hügel mit Aussichtspunkten ins Tal, ich mag Seilbahnen und wenn mein Magen robuster wäre, würde ich sogar das Fliegen mögen. Und weil das alles so ist, habe ich schon zwei Runden mit dem London Eye gedreht, war auf dem Primrose Hill und habe mich nicht eingekriegt vor Glück angesichts der Skyline meiner Lieblingsstadt. Ich war auch auf dem Parliament Hill, aber dazu später mehr. (Siehe Hampstead Heath).
In Vorbereitung auf meinen London-Trip habe ich mir diverse YouTube Videos angeschaut. Ich liebe es, Leuten dabei zuzuschauen, wie sie durch die Stadt gehen und Fotos ihrer Lieblingsplätze machen, wenn sie mir Ecken zeigen, in die sich normalerweise keine Touristen verirren, wenn sie mir vermitteln: Das ist London, so lebt man hier. Und so stieß ich auf ein Video vom Sky Garden. Der höchste öffentliche Park Londons. Da musste ich hin!
Auf der Webseite kann man circa drei Wochen im Voraus seinen Besuch planen. Datum und Time Slot auswählen und los geht´s. Die Party ist kostenlos. London ist die teuerste Stadt der Welt und ich bin Schwabe, wenn das kein schlagendes Argument ist! Ich habe mir 13.30 Uhr ausgesucht, in der Schlange am Eingang darf man sich maximal 15 Minuten vorher anstellen. Ich war natürlich zu früh, und dachte ich müsste zeitig da sein um die Wartezeit mit einzuplanen, damit 13.30 Uhr auch klappt. So nutzte ich die Zeit um einmal um den Block zu laufen, das tolle Wetter zu genießen, Touristen und Londoner gleichermaßen anzuglotzen. Die kann man gut voneinander unterscheiden: Die Londoner haben prinzipiell weniger an, weil Sonne. 😉 Es hat jede Menge Geschäfte drum herum, viele saßen auf dem Mäuerchen vor dem Gebäude und aßen ihr Mittagessen aus Plastik-Schalen mit Plastik-Besteck. Auch etwas, das mir aufgefallen ist: Der Müll, der tagtäglich in Massen produziert wird. Klar, die Leute haben Hunger, die fahren nicht extra heim, und ich nehme an die wenigsten Bürogebäude verfügen über eine Küche oder Kantine. So sitzen sie draussen in der Sonne, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, mit einem Kaffeebecher neben sich, und dem vielfältigen Angebot von EAT in der Hand. Lecker ist das, aber nicht besonders umweltfreundlich.

Der Sky Garden wird sehr gut organisiert. Dank der Time Slots befinden sich in etwa immer gleich viel Leute im Gebäude und man tritt sich nicht gegenseitig auf die Füße, weil so viel los ist. Meine Wartezeit betrug dann exakt 15 Minuten. Natürlich musste ich erst an der Sicherheitskontrolle vorbei. Inhalt des Rucksacks zeigen und durch den Metalldetektor. Es gab noch eine kleine Diskussion wegen meinen Schweizer Taschenmesser, dass ich immer in der Hosentasche habe. (Ein recht´s Mädle hot immr a Messr im Sack. – O-Ton des Vaters.) Ich durfte trotzdem und mit dem Mini-Taschenmesser hoch in den 35. Stock. Die Aussicht ist, ja wirklich: Breathtaking. Man kann das Gebäude an sich ja hässlich finden, aber ist man erst oben, wird das sehr nebensächlich. Es gibt eine Aussenterrasse, der Wind pfeift einem um die Ohren, während man Fotos macht und es ist herrlich. Im Vorfeld hatte ich mich gefragt, ob man einen 360° Blick hat, oder „nur“ die eine Aussicht zur Themse hin. Also ja, man kann einmal komplett die Runde machen, London in alle Himmelsrichtungen fotografieren, an den Scheiben stehen Hinweise, welches Gebäude wo zu sehen ist. Die Palmen, der ganze Garten vermitteln tropische Gefühle und ich dachte sehnsüchtig „Hier, in einem dieser Restaurants hätte ich gern mal ein Date mit jemandem, der mir Herzklopfen verursacht.“

Die beste Freundin organisierte uns derweil Getränke, und einen Sitzplatz neben der Bar fanden wir auch. Keine Reservierung nötig. Rundum hat es Tische, aber auch Sofas und richtige Chill-out-Ecken zum rum lümmeln. Ich könnte hier prima lümmeln, mit einem Buch, einer Cola und viel Zeit. Das hätte viel Schönes. Wie gesagt, es war nicht völlig überfüllt, und die kleinen „Hotspots“ zum Fotos machen laden zum Small Talk ein. Ich weiß nicht, für wie viele Menschen ich das Fotografieren übernommen habe. (Ich mache das sehr gerne!). Ständig drückte mir jemand eine Kamera oder ein Handy in die Hand: „Machst du bitte ein Bild?“
Klar! Amerikaner, Deutsche, Chinesen. Alles dabei. Irgendwem habe ich dann meine Kamera in die Hand gedrückt, einer Chinesin bin ich in ihre Aufnahme (vermutlich YouTube-Reiseblog) reingeplatzt. Wir haben gekichert. Alles sehr entspannt, ein bisschen Small Talk hier und da. Die Getränke waren bezahlbar und der Mittag viel zu schnell um.
Wenn du nach London kommst, schau´s dir an, es lohnt sich.
Linkliste:
Mir liegt dein luftiges Höhethema ja gar nicht … 😀
Ausguckspunkt ebenerdig hast keinen gefunden? 🙂
Hahaha. Interessanterweise habe ich Höhenangst. Das habe ich jetzt total ausgespart. Um deine Frage zu beantworten: Ja, ich habe auch ebenerdige Aussichtspunkte gesehen, fotografiert und für toll befunden. Der Bericht über Hampstead Heath folgt noch. Nur Geduld junger Skywalker 🙂
Gut, dann bin ich geduldig.
Wenn du dich hoch oben auch fürchtest, wirst ja nicht jeden einzelne dieser verdammt luftigen Ausgucke dort erklommen haben. 😀