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Jo Wolf:
Ich freue mich, bei Deiner Aktion „2 Fragezeichen“ mit zu machen. Ich hoffe sehr, dass bei meinen Antworten etwas lesenswertes für Deine Leser herauskommt 🙂
Ich mag es nicht, von mir selbst in der dritten Person zu schreiben, deswegen bleibe ich erstpersonal in meinen Worten an euch und über mich. (Mit der Majestätsanrede lasse ich mich von anderen allerdings sehr gerne ansprechen.)
„Schreibender Depressionsexorzismus mit wortkreativen Tendenzen zur Schaurigkeitsverklärung“
So steht es in der kurzen Selbstbeschreibung, die ich meinem Blog von mir gebe. Da ich dies treffend finde, bleibe ich dabei. Aber natürlich gibt es noch mehr und von diesem „mehr“ will ich ein wenig preisgeben:
Jo Wolf ist ein Pseudonym, mit dem ich ausdrücke, zugleich verstecke ich mich dahinter. Die versteckte(n) Person(en) soll(en) im diffusen Hintergrund bleiben. Der Unwichtigkeit wegen. Wichtiger soll sein, was an Worten herauskommt. Aus diesem Grund gebe ich auch kein Foto von mir preis. Ich bin mir aber sicher, dass es dennoch hervorragend möglich ist, sich ein Bild von mir zu machen.
Geboren wurde ich im flachen Münsterland. Ich bin ein Kind des Geistes der 70er und 80er Jahre. Dennoch wurde ich zwischenzeitlich zum Schattengeist. In Auszügen ist dies nachzulesen in meinen niedergeschriebenen Alpträumen aus den düsteren Mooren. Dort gibt es auch mehr Aufschluss bezüglich meiner Personalie:
„Ich bin nicht Nichts, ich bin nicht Niemand. Ich bin Jo, das Kind der Wölfe, bin das Heulen in dem tiefen Wald. Ich bin Stimme, ich bin Sprache, bin den Taten folgende Erinnerung. Ich bin das was über bleibt, wenn dein Schemen längst vergangen und durch mein Schweigen ungewesen ist. Ich bin Mimik, ich bin Gestik, bin die Welt, die sich in Büchern findet und aller Wesenheiten Spiegelbild.“
Das mag etwas dick aufgetragen, sogar pathetisch erscheinen und gleichzeitig verklausuliert. Dennoch ist es das beste und vielleicht passendste, was ich über mich zu sagen habe.
Meine ersten unvollendeten Werke schrieb ich mit 10, ihre Titel lauteten „Xanthos, der rote Rächer“ und „Lisbeth, die lispelnde Lyrette“.
Meine ersten depressiven Episoden hatte ich wohl auch in jenem Alter, was zu der Zeit weder mir noch anderen auffiel.
Zu den üblichen Rahmendaten einer Vita, das halte ich mal kurz, ich finde so etwas nicht so spannend: Schulabschlüsse habe ich. Verschiedene Berufsausbildungen aus den Bereichen Pädagogik und Handel hab ich auch. In den Menschenhandel bin ich trotzdem nicht eingestiegen. Die dortigen Sitten halte ich doch für recht ungebührlich. Verboten zudem. Und das Arbeitsamt wollte mich (wohl aus dem vorgenannten Grund) bei der Jobsuche in dieser Branche nicht unterstützen. Ach seien wir ehrlich, rausgeworfen haben sie mich dort, als ich danach fragte.
Studieren bin ich nicht gegangen. Ich hatte es vor, leider stellte sich heraus, dass die Leute in den Hochschulen schon vorher wissen wollen, was ich zu studieren gedenke. Das war mir zu doof, meine Geisteskraft und Neugier lässt sich nicht von solchen Bestimmungsfetischen begrenzen. Vielleicht kanalisieren, aber das nehme ich dann selber in die Hand, genau wie die Sache mit den Fetischen.
Gearbeitet habe ich aber in allen möglichen Bereichen, sei es in der Pflege, in der Müllbranche, bin Lehrtätigkeiten nachgegangen und den Freuden der Fotoreportage. Großhandel, Werbebranche und Lagerarbeit hab ich gemacht und natürlich als Kind Zeitungen ausgetragen. Was fehlt? Richtig, Audiotranskription und Fließbandarbeit. Auf Messen habe ich mich viel herumgetrieben, also ausstellenderweise. Mehr fällt mir gerade nicht ein.
Was noch? Achja: Verheiratet mit meinem Lieblingsmenschen, keine eigenen Kinder, resultierend aus meiner beruflichen Tätigkeit in der sozialpädagogischen Branche: Ich wollte mir nur ungern auch noch Arbeit mit nach Hause nehmen. Stattdessen habe ich aber einige Taufpatenkinder. Diese müssen die Sache mit der Kinderlosigkeit ausbaden. Das wird sie für die harten Realitäten des Lebens stark machen. Last but not least: Hunde habe ich auch und werde immer welche haben.
Dieser Tage und schon vieler zuvor lebe ich im Ruhrgebiet, am Rande der A45, nur leicht nördlich der A44 und knapp südlich der A40 gelegen. Ich fahre gerne Auto, aber offen gestanden lieber woanders. Hier ist der Verkehr zu dicht. Die vielen Autobahnanschlüsse dienen mir dazu, schnell woanders hin zu entfleuchen.
Sooo, aber jetzt komme ich mal zu den Fragen, die mir Carolin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Ich versuche sie unbeschadet und ohne Eselsohr zurück zu geben:
Macht es einen Unterschied ob du tagsüber oder nachts schreibst?
(Das impliziert, dass du du tagsüber und nachts schreibst, ich weiß. Tust du das überhaupt?)
Ja, ich schreibe tagsüber und auch nachts. Unterschiede gibt es da auf jeden Fall. Tagsüber schreibe ich oft leichtere Geschichten, Berichte, Gedichte oder Satiren. Insgesamt kommen dafür aber mehr Worte zusammen. Oder zumindest mehr verschiedenes. Dafür sind die einzelnen Texte kürzer. Nach meinen sehr schwierigen Wachwerdephase am Morgen habe ich meist im Tagesverlauf mehr Elan, um einfach zackig drauflos zu schreiben. Andererseits werde ich da immer wieder von nervigen Alltäglichkeiten unterbrochen. Darauf kann ich aufs äußerste fuchtig reagieren, was zwar bisweilen den Störungsherd beseitigt, abgelenkt bin ich dann aber trotzdem und muss mich neu herein finden. Da ich Konzentrationsprobleme habe, ist das ein Problem.
Nachts schreibe ich anders. Zum einen seltener, vielleicht auch weniger. Mir fehlt da oft die Energie, weil ich vollkommen erschöpft bin, aber trotzdem nicht schlafen kann. Was ich aber kann, wenn die Stimmung stimmt: mich in einen Rausch schreiben. Das geht zwar auch tagsüber, nachts aber besser. Dann kriege ich nichts mehr von meiner Umgebung mit. Selbst die Schreibmusik dient dann höchstens noch als Aufwärmer zu Beginn. Nach ein paar Minuten höre ich ich sie nicht mehr, nehme auch nicht wahr, wenn das Album zu Ende gespielt wurde. Ich wundere mich dann einige Stunden später, wieso keine Musik mehr läuft. (Da ich schon an anderer Stelle danach gefragt wurde: Die Musikauswahl beim Schreiben treffe ich spontan, möglichst passend zu meinem Schreibvorhaben. Gibt es da keinen klaren Favoriten, lasse ich Grace Potter and the Nocturnals laufen. Das ist seit langem meine Schreibmusik.)
Nacht sind meine Texte im Großen und Ganzen düsterer. Das ist meiner Stimmung geschuldet, aber natürlich auch der Atmosphäre der Nacht selbst. Von meinem Schreibtisch aus kann ich direkt vor meiner Nase aus dem Fenster sehen. In der Ferne leuchten ein paar Laternen und gelegentlich gleiten die Scheinwerferlichter von Autos vorbei. Wenn es richtig gut läuft, steht der Mond tief und ist gut sichtbar. An Freudentagen sogar voll. Schön ist es auch, wenn die Wolken dramatische Formationen bilden und schnell einher schweben. Dann tun sich meist Abgründe auf. Auch auf dem Papier unter meinen Händen.
Gelingt es dir, mit Wörtern die Depressions-Dämonen in Schach zu halten – oder ist dein Blog eher ein Tagebuch; ein Betrachten der Dämonen?
Als Tagebuch sehe ich mein Blog nicht. Das Betrachten der Dämonen kann aber ein Teil sein. Es ist aber eher so, dass ich sie sprechen lasse. Schwer zu sagen, ob ich die Dämonen in Schach halte. Ich verleihe ihnen Ausdruck, das auf jeden Fall. Ich drücke mich aus, kehre mein Inneres zu äußerst. Zumindest versuche ich das und will das noch besser schaffen. Das ist ein Antrieb für mich. Das Schreiben düsterer Texte, die Kanalisierung dunkler Gedanken und mehr noch solcher Empfindungen betreibe ich zwar schon länger, in der Intensität und Menge ist es aber auch noch neu für mich. Es werden aber weitere Texte in der Richtung entstehen, ich spüre den starken Drang danach und gebe auch an dieser Stelle schon im Voraus eine Triggerwarnung für vorgeschädigte und zart beseelte Gemüter.
Ich blogge erst seit einigen Wochen, deswegen bin ich vorsichtig mit solchen Aussagen, aber bisher erlebe ich diese Form der Selbstmitteilung und des Austausches als sehr hilfreich für mich. Es motiviert mich, mehr zu schreiben und das Schreiben ist ein ausgezeichnetes Werkzeug. Es gibt mir Kontrolle und Macht über mich zurück, die ich oftmals an Dämonen verloren habe. Auch jetzt noch. Das ist ein stetiger Prozess, vermutlich ein Kampf ohne endgültigen Sieger. Aber ich liege wieder in Führung und halte gefühlt mehr Strippen denn je in der Hand. Sei es durch mehr Auseinandersetzung mit mir selbst oder auch durch die Kommunikation mit anderen Bloggern.
Ganz sicher auch durch die Ausdrucksform des Geschichtenerzählens. Das habe ich immer gemacht, nein eigentlich gelebt. Viel mehr als das ich aufgeschrieben habe, war ich lebenslang Geschichtenerzähler. Von Mund zu Ohr und Auge in Auge. Ob am Lagerfeuer oder in einer Wirtschaft, zu Hause oder beim Essen anlässlich literarischer Dinnerveranstaltungen. Die habe ich immer gerne gehalten. Weil es intim ist, weil die Menschen Ruhe mitbringen. Sie sind entspannter und lassen sich ein. Und ich gehe darin auf. (Oder ging darin auf, als ich mich das noch angstfrei getraut habe. Ich möchte das bald im kleinen, privaten Rahmen wieder versuchen.)
Die Antwort auf Deine Frage lautet also wohl am ehesten: Ja, ich halte die Depressions-Dämonen ein wenig in Schach durch das Schreiben und bloggen. Ich lerne aber auch, einige meiner Dämonen anzunehmen. Sie gehören zu mir.
Vielen lieben Dank für Deine Fragen, ich habe sie Dir gern beantwortet. An mancher Stelle war das nicht so einfach, weil ich mir selbst beide Fragen bisher so weder gestellt, noch beantwortet hatte.
Vielen Dank für das Interview.
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PS: Möchtest du an der Interview-Reihe „Zwei Fragezeichen“ teilnehmen?
Dann schreib mir.
C.
2 Kommentare zu „Zwei Fragezeichen an Jo Wolf“