Mein Abgabetermin für meine #Drachenfortsetzung rückt näher. Daher habe ich Momentan den Eindruck für alles andere zu wenig Zeit zu haben. Ich schreibe, lösche, recherchiere, schreibe, lösche wieder und das Stimmungsbarometer schlägt Purzelbäume. Da schreib´ ich ein Kapitel und halte mich für literaturpreisverdächtig, im nächsten Moment möchte ich das Manuskript in die Tonne kloppen und neu anfangen. Ich spüre den Druck im Nacken fertig zu werden. Das ist gut und wichtig, aber gleichzeitig auch lästig. Andere Dinge, wie der Blog oder das Lesen, kommen zu kurz. Literatur konsumiere ich derzeit nur noch in Form von Hörbüchern beim Autofahren. Ich bin viel für die get shorties Lesebühne unterwegs. Meine Kollegin Lotte Römer wartet nun schon Wochen darauf, dass ich ihr neues Manuskript lese und ein Feedback gebe… Ich weiß gar nicht wie lange es her ist, dass ich „Das Jahr, als ich anfing, Dudelsack zu spielen“ las. Nun möchte ich dir endlich davon erzählen.
Tanja Köhler, die ich vor vielen Jahren kennen lernte, und dann für Jahre aus den Augen verlor, schob sich mit dieser Veröffentlichung wieder in mein Augenfeld. Ich besuchte also eine Lesung von ihr – wobei Lesung das falsche Wort ist. Vortrag trifft es auch nicht. Das, was sie da macht ist eine Mischung aus Vortrag, Lesung, musikalischer Darbietung, aus-dem-Nähkästchen-plaudern und guter Unterhaltung. Gibt es dafür ein Wort? Man müsste eins erfinden…
Jedenfalls. Sie hatte den Wunsch Dudelsack spielen zu lernen und dieser Wunsch schlug Wellen. Sie nahm Unterricht (sie nimmt aktuell natürlich immer noch Unterricht – Dudelsack lernt man nicht eben mal g´schwind.) Dann schrieb sie ein Buch über Veränderung und nun dient der Dudelsack als Metapher für selbige. Das ist ziemlich vereinfacht ausgedrückt, ganz so einfach ist es natürlich nicht. Aber der Reihe nach.
Der Untertitel für das Buch lautet: Eine Anleitung zur Veränderung in der Mitte des Lebens. Ich bin noch nicht in der Mitte meines Lebens angekommen und nach der Lektüre kann ich sagen, es braucht auch keine Mitte um eine Veränderung zu wollen oder umsetzen zu können. Lass dich davon also nicht abschrecken. Veränderung – das ist etwas, dass kann man mit 20 oder mit 80 noch machen. Das ist nicht an einer Jahreszahl fest gemacht.
Es mag sein, dass ich nun nicht ganz objektiv bin, weil ich Tanjas herzliche, laute Art kenne und ihre Stimme im Ohr hatte, während ich las, aber ich mag den Tonfall des Buches. Tanja Köhler ist nicht belehrend, sie sagt nicht: „Du musst dieses oder jenes, damit es klappt.“ Aber sie erklärt die Dinge sehr einfach, verständlich, verwendet nicht unnötigerweise Fachchargon und Fremdwörter, die man erst googeln muss. (Ich habe mal vor vielen Jahren einen Schreibratgeber gelesen, der so geschwollen geschrieben war, dass ich auf jeder Seite mindestens drei mal das Wörterbuch konsultieren musste, um halbwegs mitzukommen. Am Schluss dachte ich, ich sei ein völliger Idiot, könne kein Deutsch und mit dem Schreiben wird das NIE was. Das war sehr kontra-produktiv.)
Tanja Köhler geht der Frage auf den Grund, was eine Veränderung ist, wann man eine braucht und wie man es dann anstellt, diese Veränderung im eigenen Leben umzusetzen. Wie gesagt, der Dudelsack dient durchweg als Metapher und das erstaunlich gut. Nebenbei erfährt man noch so einiges über Schottland, das Dudelsack spielen und Tanja Köhler selbst. Ihren Werdegang, diverse Veränderungen in ihrem Leben. Das ist ehrlich, das ist nah, das ist persönlich. Sie erzählt von denkwürdigen Momenten und von Denkfehlern. Sie bringt es dann auf drei Punkte: Ziel, Umsetzung und Dringlichkeit.
Für mich klang das alles sehr logisch. Ich dachte über Dinge nach, die ich bisher geschafft habe und Situationen, an denen ich gescheitert bin. Nun kann ich ganz genau benennen, wann eines der drei Dinge gefehlt hat, oder gar alle drei. Das ist etwas, dass ich bisher gespürt habe, ohne Worte dafür zu haben. Ein Beispiel. Während der Veranstaltung, als Tanja fröhlich und mit viel Begeisterung von ihrem Dudelsack erzählt hat, vom Wunsch zu spielen, über den harten Weg zum ersten Instrument, der Suche nach einem Lehrer und den Hindernissen, die es zu überwinden galt, da meldete sie das kleine Lause-Mädchen, das in mir wohnt, zu Wort. Sie sagt in regelmäßigen Abständen zu mir:
Caro, Schlagzeug spielen können – das wär´s.
Ich würde ausflippen und ba-da-bing, ba-da-beng, ba-da-bum-bum machen.
Wie irre. Und laut.
Das ist in meiner (unserer) Vorstellung unheimlich hübsch. Nach dem ich dieses Buch gelesen habe, dachte ich aber;
Hör mal, Mädel! Du hast das nicht als Ziel formuliert, weil ganz andere Dinge wichtig sind. Du hast kein Bock das umzusetzen (Üben!) und die Dringlichkeit ist nicht existent. Du lebst seit Jahren prima ohne Schlagzeug. Ein Tag ohne Wörter überstehst du aber kaum.
Keiner der drei genannten Punkte ist gegeben. Ich habe mir also den Zollstock angesehen, wie im Buch beschrieben, hab mir die Zeit angeschaut, die mir theoretisch noch bleibt, und gedacht: Da sind andere Sachen, wichtigere Sachen, die ich machen will. Und immer, wenn ich mich frage, was ich will, plingt als erstes das Wort „Schreiben“ in meinem Kopf auf, wie eine Mikrowelle, die fertig ist. Also, zurück auf Anfang. Das Thema lautet Veränderung. Das ist spannend, das ist mir wichtig. Es ist Jahre her, da hatte ich eine Schreibübung auf dem Tisch mit dem Thema „Wie lange weiter so?“ und ich kritzelte in mein Ideenbuch „Nichts ist, wie es bleibt“. Was das genau bedeutet, weiß ich noch nicht. Aber es beschäftigt mich. Das Wort „Schreiben“ plingt in mir, wieder und wieder. Aktuell arbeite ich an meiner #Drachenfortsetzung, nebenbei immer an neuen get shorties Texten und der Zollstock, Tanja Köhlers Zollstock mahnt mich: Da ist diese Geschichte. Ich will dir davon erzählen, weil es mich in die Situation bringt, zu meinen Worten zu stehen.
Ziel. Dringlichkeit. Umsetzung.
Da ist diese Geschichte. Ich nenne sie mein Opus Magnum. Mit dieser Geschichte laufe ich seit zehn Jahren herum. Sie ist fertig, in meinem Kopf. Es gibt noch kein einziges Wort dazu auf Papier. Vor vielen Jahren lag ich im Krankenhaus, Blinddarm, und hatte keinen Fernseher im Zimmer. Das war nicht schlimm, ich wollte eh nichts wissen. Meine Eltern brachten mir „Die Dornenvögel“ als Lektüre ins Krankenhaus. Ich habe diesen Wälzer in wenigen Tagen gelesen. Und geliebt. Wirklich geliebt. Damals dachte ich sehnsüchtig, „So was…“, der Rest blieb ungedacht. Ich traute mich nicht. Der Rest lautet:
So etwas selber schreiben! Eine Liebesgeschichte. Eine Familiengeschichte. Mehrere Generationen. Boah.
Etwa fünf Jahre später entdeckte ich John Irving. Der macht das auch – ein ganzes Leben, mit Eltern und Kindern, zwischen zwei Buchdeckel packen. Mit allen Details. Jedes Werk ist groß, da stecken gleich mehrere Wahrheiten drin, und was noch wichtiger ist – er hat diesen Blick auf Menschen, verstehend, liebevoll. Die Figuren sind komplex und schwierig und schrullig und echt. Das gefiel mir, vom ersten Satz an. Nun geht es mir nicht darum „Die Dornenvögel“ noch mal zu schreiben, oder John irving kopieren zu wollen. Das soll schon meine Handschrift sein, mein Blick, meine Details. Aber man braucht ja Vorbilder. Man muss wissen, was es schon gibt. Was einem selbst gefällt, was man selber lesen möchte, welches Buch noch dazu soll, in diese Bibliothek des Universums. Und da würde ich gern meine Geschichte dazu stellen. Deshalb nenne ich das mein Opus Magnum. Es ist nichts geringeres. Kleine Gedanken passen in alle anderen Geschichten, kurz oder lang.
Ich kenne mein Ziel. Ich weiß wie ich aus einer Idee einen Text mache. Die Dringlichkeit ist… ich will nicht warten, bis ich eine alte Frau bin. Aber es ist auch noch nichts für heute. Aber ich hab den Zollstock genau im Blick. Und damit empfehle ich dir dieses Buch. Zu wissen wie, ist manchmal schon der halbe Weg.
~Caro
Ein Kommentar zu „Das Jahr, als ich anfing Dudelsack zu spielen“