„Du wirst ihn nicht wiedersehen!“, sagte die Mutter um Beherrschung bemüht und warf einen Teller ins Spülwasser, dass es aufspritzte.
„Ich liebe ihn“, erwiderte Melanie, als würde dieser Satz alles erklären.
Kümmert es dich überhaupt, dass ich zum ersten Mal richtig verliebt bin?
„Blödsinn!“ Sie spie ihrer Tochter das Wort ins Gesicht wie Spucke. „Du bist 16, was weißt du über Liebe?“
Mehr als du!
Melanie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte den Rücken ihrer Mutter an.
Wenn sie sich wenigstens umdrehen würde, wenn sie mit mir redet.
„Du weißt gar nichts über die Liebe. Du willst doch nur vor deinen Freundinnen angeben, dass du es auch schon gemacht hast.“
So wenig kennst du mich also.
„Mit einem Baby an der Backe ist das Angeben dann vorbei.“
Hältst du mich wirklich für so blöd? Denkst du ich weiß nichts über Verhütung? Stell dir vor, ich habe dir zugehört! Du mir, Mama?
„Hör zu, Fräulein!“ Endlich drehte sie sich um und trocknete sich wütend die Hände ab.
Fräulein? Ich hasse dieses Wort und ich hasse dich, dass du mich so nennst. Ich bin deine Tochter, nicht irgendwer. Ich habe einen Namen, weißt du ihn noch, Mama?
„Er ist zu alt für dich und will nur das eine!“ Sie richtete ihren Zeigefinger wie eine Pistole auf die Brust ihrer Tochter. Melanie sah nur den Finger und seine Botschaft. Sie nickte, sah weg, es gelang ihr nicht, die Mutter in ihrer Wut anzusehen.
Das bedeutet, ich tue was du sagst, weil du die Mutter bist, und immer Recht hast.
Leise flüsterte sie, ihre Stimme versagte fast: „Ich bin kein Kind mehr!“
„Du bist mein Kind!“, brüllte sie. Energisch drehte sie sich um, warf das Geschirrtuch in eine Ecke, lehnte sich mit beiden Händen auf die Arbeitsfläche. Sie musste tief durchatmen, bevor sie weitersprechen konnte.
„Du bist noch ein Kind, Melanie. Das ist keine Liebe, das sind deine Hormone, dein Körper spielt dir nur was vor.“
Also ist dass, was ich momentan fühle nicht wichtig, weil es was mit Hormonen, mit Drüsen zu tun hat, weil es vorbei geht?
„In deinem Alter geht es allen so. Es ist neu und aufregend, jeder will mithalten. Später wirst du bereuen, was du getan hast. Glaub mir.“
Bereust du mich, Mama?
„Ich will dich doch nur beschützen“, flüsterte sie.
Ich will meine eigenen Fehler machen. Ich bin nicht du, Mama.
„Kind, sag doch was, Herrgott.“ Sie drehte sich um, sah ihre Tochter an.
Ich würde so gern mit dir reden, dir alles erzählen. Ich möchte dir erzählen, dass ich ständig an ihn denke, dass ich nicht schlafen kann, will dir erzählen wie sein Haar riecht oder meine Haut kribbelt, wenn er meinen Namen sagt. Alles möchte ich dir sagen, aber du hörst nicht zu, Mama.
Die Mutter ging auf sie zu, packte sie grob an den Schultern. Melanie traten die Tränen in die Augen. Sie kämpfte dagegen an, sagte kein Wort.
Früher war es einfacher mit dir zureden, Mama.
„Du tust, was ich dir sage. Es geht vorbei. Davon geht die Welt nicht unter.“
„Dito“, sagte Melanie mit brüchiger Stimme. Sie musste sich räuspern. Ihre Hände wurden zu Fäusten. Die Mutter ließ von ihr ab, als hätte sie sich verbrannt. Mit großen, erschrockenen Augen sah sie ihre Tochter an.
Ertappt, ja Mama, ich weiß es.
Ihre Mutter sah sie fragend an, forderte eine Erklärung. Der Hass festigte Melanies Stimme, als sie sprach: „Eine Frau in deinem Alter. Er ist zu jung für dich. Du wirst ihn nicht wieder sehen.“ Melanies Augen wurden zu Schlitzen; „Das ist eine Sache der Hormone, das geht vorbei.“
Die Ohrfeige brannte, sie versiegelte den Strom der Tränen, die sonst noch gekommen wären.
„Vielleicht geht auch das Gefühl sich scheiden lassen zu wollen vorbei, Mama.“
„Halt den Mund!“ Nun kämpfte sie mit den Tränen. „Was weißt du schon über die Liebe“, sagte sie leise und ging an Melanie vorbei aus der Küche.
„Fräulein“ – das kenne ich leider.
Das ist eine sehr berührende Geschichte.
Wir oder die Mütter dieser Welt sollten daraus lernen.
Sie halten uns einen Spiegel vor Augen.
Liebe Grüße
Sylvia